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Bioethik |
Anmerkungen zu einem Artikel in
der Reformhaus-Rundschau 1/2002
Gibt es eine neue Singer-Debatte?
In der Reformhaus-Zeitung vom Januar 2002 ist ein Aufsatz
von Dr.med.Karl Mohr ("Was wird aus uns?") erschienen, in welchem
der australische Philosoph Peter Singer als derjenige Moralphilosoph der
Gegenwart bezeichnet wird, der die richtigen Antworten auf die schwierigen
Fragen in der heutigen Zeit gebe. Obwohl sich der Autor in ernsthafter
Weise mit dem Thema auseinandersetzt, wird ausgerechnet Peter Singer als
der wichtige Moralphilosoph der Gegenwart bezeichnet.
Das erscheint insofern unverständlich, da
Singer doch eher als Symbol für eine neue Tötungsethik steht,
die besonders in Deutschland sehr umstritten ist bzw. war (insbesondere
durch sein Buch "Praktische Ethik" von 1984). In den Jahren 1989/90
gab es deswegen Boykotte und Demonstrationen gegen Singer, wenn er z.B.
Vorträge in Deutschland halten wollte.
Weshalb es kommt, daß ausgerechnet in einer Reformhaus-Zeitung
Singer mit seiner Philosophie empfohlen wird, erscheint etwas rätselhaft.
Ist es entweder ein Versehen oder ist es wirklich ernst gemeint? Dann wäre
es wirklich ein Zeichen dafür, wie sehr sich die Zeiten geändert
haben.
Da es kaum zu glauben ist, dass Peter Singer mit seiner
Philosophie so angepriesen wird, werden hier einige Beispiele aus dem Artikel
aufgeführt:
"Die Frage nach der Ethik ist die Kernfrage aller
Philosophie. Ethik fragt: Wie können wir gut leben? Wie sollen wir
leben? Und antwortet auf diese Fragen. Der Philosophieprofessor Peter Singer
(*1946), Universität Melbourne, gibt diese Antworten aus der Sicht
unserer
Zeit, in der die Menschen ratlos geworden sind. Die
meisten richten sich (fast) nur nach ihrem Eigeninteresse. Damit sind wir
gleich wieder bei Schopenhauers Diagnose der anti-
moralischen Triebfedern. Da hat sich mit dem modernen
Fortschritt nichts gebessert – im
Gegenteil: das Eigeninteresse hat noch zugenommen.
Und mit den Möglichkeiten des
technischen Fortschritts wird das Eigeninteresse zum
zerstörenden Instrument: umweltzerstörend, zukunftszerstörend,
selbstzerstörend. Mit allen neuen Mitteln, die der moderneFortschritt
zur Verfügung stellt. Vom unnötigen Autofahren bis zum Zerreden
desGutge-meinten. Der Terrorismus hat vorgeführt, wie einfach gewöhnlich
Verkehrsflugzeuge, in denen arglose Passagiere sitzen, als zerstörerische
Waffen missbraucht werden können."
Die Ethik sagt uns, wie wir gut leben können.
Gut leben nicht nach den zukunftsblinden
Regeln des modernen Massenkonsums, sondern wirklich
gut leben, für andere leben, sinn-
voll leben können. „... wir werden feststellen,
dass ein ethisches Leben nicht Selbstauf-
opferung bedeutet, sondern Selbsterfüllung“ (P.
Singer).
Der Silvesterabend, der Neujahrmorgen ist für
viele Menschen die Zeit der guten Vorsätze,
kaum 24 Stunden des kommenden Jahres. Danach kommt
wieder der alte Trott, nur mit dem Gefühl, wieder älter, aber
nicht besser geworden zu sein, sondern noch ratloser, noch
schwächer, mit noch mehr Angst vor dem Kommenden,
vor allem vor dem eigenen Alter,
das wieder einen Zeigersprung höher gerückt
ist. Muss das wirklich so sein? Könnten wir
nicht älter – und dabei besser, sogar gesünder
werden?
Das Buch von Prof. Peter Singer „Wie sollen wir leben?
- Ethik in einer egoistischen Zeit“
gibt lebenswichtigen existenziellen Rat. Ein ethisches
Leben zu führen, bedeutet nicht Selbstaufopferung, sondern Selbsterfüllung.
Prof. Singer ist dazu auch im Tierschutz und mit praktischen Konzepten
zum ökologisch orientierten ethischen Leben persönlich aktiv.
Menschen werden glücklich, wenn sie Glück
üben (Aristoteles). Wie können Sie Glück üben, an jedem
Tag des kommenden Jahres, statt kurzlebiger guter Vorsätze? Vom Ansatz
her so:
Halte jeden Hass und jede Verleumdung, deshalb auch
jede Sorge von Deiner Seele fern.
Lebe einfach, erwarte wenig, gib viel. Fülle
Dein Leben mit Liebe aus. Verbreite guten und
frohen Sinn. Vergiss dich selbst, denke an Andere.
Verhalte Dich so, wie Du möchtest, das
man Dir tut." (Dr.med Klaus Mohr: Was wird aus
uns?, in: Reformhaus-Rundschau 1/2002)
Dass nun ausgerechnet das Buch von Peter Singer einen
lebenswichtigen existentiellen Rat geben kann, soll hier wirklich ernsthaft
hinterfragt werden.
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