Forum Bioethik Patentierung von „Leben“ und interkulturelle Konflikte 
(nach Volker Heins: Modernisierung als Kolonialisierung, in Barben/ Abels: Globalisierng- Demokratie- Biotechnologie, Sigma,2000)

I.Entstehende Konflikte

Anfang bis Mitte der 90iger Jahre gab es noch das Bild einer freundlichen, konfliktarmen Globalisierung. Diesen Eindruck gibt es inzwischen nicht mehr.
Insbesondere auch die Biotechnolgie stellte dies in Frage, da neue Rivalitäten entstanden. Dabei spielte die Frage geistiger Eigentumsrechte u.a. eine besondere Rolle, z.B. die Frage nach den geistigen Eigentumsrechten auf Saatgut und andere biotechnische Innovationen oder die Frage nach Sortenschutzrechten für Pflanzenzüchter. Und es tauchte das Problem auf, wie das Wissen von traditionellen Pflanzenzüchtern vor industriellem Zugriff geschützt werden könnte.

II.  Bio-Industrie und Patentierungskonflikte
( Alles unter der Sonne, was von Menschen gemacht ist, ist patentierbar)

Patentähnliche Rechte gab es im Bio-Bereich etwa seit 1930.
Nach dem 2.Weltkrieg gab es dann große Fortschritte in der Bio-Industrie. Ab 1980 gebinnt dann die eigentliche Phase der modernen Biotechnolgie.
In diesem Jahr (1980) kam es zu dem bekannten Chakrabarty- Urteil vom US-Supreme-Court, dass von nun an „alles unter der Sonne, was von Menschen gemacht ist, patentierbar sein solle“.

III.  Ausweitung des „Patentschutzes“

Das Chakrabarts-Urteil war insofern ein völliger Einschnitt. Zum einen bedeutet es die Ausdehnungdes Patentschutzes auf lebende Materie sowie auf die vorkommerziellen Grundlagen möglicher industrieller Innovationen. Hinzu kommt auch die Erweiterung der Patentierbarkeit von industiellen Innovationen auf „research tools“ wie Harvards berühmter „Krebsmaus“.
Insgesamt bedeutet das:
Es gibt zwei Entwicklungen bei den geistigen Eigentumsrechten
1.  Die Ausweitung der Rechte auf früheste Stadien der Technologie-Entwicklung, in denen spezifische Anwendungen geschützter Ideen und Informationen noch gar nicht in Sicht sind.
2.  Und die Ausweitung des Patentschutzes von mechanischen Innovationen auf lebende Materie.

IV.  Phase der globalen Ausweitung des Patentschutzes 

Seit Mitte der 1980er Jahre kommt ein drittes Element hinzu, und zwar den Patentschutz auf nichtwestliche Regionen auszudehnen. Das Motto ist jetzt nicht „Alles unter der Sonne“,
sondern „Alles auch unter der tropischen Sonne ist patentierbar.“
Diese dritte, globale Dimension der Patentierungskontroverse führte zur Einbeziehung sogenannter handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte in die jüngste der GATT- Verhandlungen (1986-1994) und zu einer Überlagerung der ersten beiden Dimensionen durch einen interkulturellen Konflikt (durch das TRIPs-Abkommen
(=trade-related intellectual property rights).

Motor dieser Entwicklung war zunächst die US-amerikanische Pharma-Industrie, die bereits während der 80iger Jahre massiv und erfolgreich für eine Verschärfung des US-Handelsgesetzes eintrat.

Die Gesetzesnovelle von 1988 stufte die Verletzung geistiger Eigentumsrechte ausdrücklich als „unfaire“ Handelspraxis ein und schrieb alljährlich eine Auflistung von Ländern vor, die sich unwillig zeigten, den geistigen Eigentumsschutz nach westlichem Vorbild zu erweitern.

„Während der Wortlaut des „Agreement on TRIPs“ vorwiegend auf die aggressive Lobbytätigkeit der Pharmabranche zurückgeht, gilt die Einbeziehung dieses Verhandlungsergebnisses in die neue Welthandelsorganisation mit ihren robusten Streitschlichtungsverfahren als Erfolg der Europäischen Union, deren Bestreben darin lag, die unilaterale Handelspolitik der USA durch ein multilaterales Globlisierungsmodell abzuschwächen.“ (Heins, S.138)
„Das TRIPs Abkommen verpflichtet die Unterzeichner-Staaten, Patente zu gewähren „for any inventions in all fields of technology“ (Art.27 Abs 1) und stoppt damit die bisherige Praxis vieler technologisch schwacher Staaten, z.B. pharmazeutische Produkte und gentechnisch veränderte Mikroorganismen (...) vom Patentschutz auszunehmen. Die Patentierbarkeit ganzer Pflanzen und Tiere wird zwar ausgeschlossen, aber die aus der Sicht der Bio-Industrie viel interessantere Frage, inwieweit Teile von Organismen patentiert werden können, bleibt weiterhin umstritten.
Insbesondere gibt es eine anhaltende internationale Kontroverse um Art.27 Abs.3b TRIPs, der ein verschärftes Sortenschutzrecht für Nutzpflanzen als Alternative zum Patentschutz zuläßt.“ (Heins, S.136)

Fest steht dabei, dass die Bio-Industrie maßgeschneiderte Rechtssysteme in weniger entwickelte Länder exportiert, die dort oft als Diktat empfunden werden und Anlaß anti- westlicher Stimmungskampagnen sind.

Ein weiteres Problem gibt es in diesem Bereich: Biotechnologische Innovationen sind in der Herstellung teuer - aber günstig zu duplizieren. 
Für die Pharma-Industrie kam noch ein weiteres Problem hinzu (insbesondere bei den GATT-Verhandlungen): Die Kluft zwischen Zuwachs an technischer Kontrolle über lebende Materie sowie der Verlust rechtlicher Verfügungsgewalt und deren politische Durchsetzung im globalen Wettbewerb.
So gibt es zwei große Negativszenarien, die in der Öffentlichkeit mit dem Aufstieg der Biotechnologie verbunden sind:
1.  der Verlust der Kontrolle von gentechnisch veränderten Organismen
2.  die politisch-kulturelle Gefahr, durch die Kontrolle der westlichen Bio-Industrie und supranationalen Regelungsinstanzen wie der WTO.
Außerdem gab es eine andere neue problematische Technologie, die sog. Terminator- Technolgie, d.h. das Pflanzen ihre eigene Saat in der 2.Generation mittels eines gentechnisch aktivierten Toxins abtöten.

Dies Verfahren hat die Saatgutfirma Delta and Pine Land Co (gemeinsam mit dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium) im März 1998 patentieren lassen, um die Konkurrenz kleiner Bauern, insbesondere aber kleinerer Saatgutfirmen auszuschalten.

V.  Westliche Positionen bei der Frage der Ausdehnung geistiger Eigentumsrechte

Zunächst waren viele Fachleute erstaunt, daß ein so trockenes Thema wie Patentierung innerhalb weniger Jahre ein so hoch emotionales Thema wurde., was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass es Fragen der kulturellen Identität berührt.
Auch rühren sicherlich Empfindlichkeiten auch daher, dass Eigentumsansprüche in Zonen geltend gemacht werden, die  - wie Gesundheit, Ernährung, Fortpflanzung - unser Leben ausmachen.
Und dass lange Zeit - nicht nur in Ländern der 3.Welt - Medikamente und Saatgut ebensowenig patentierbar waren wie Körpergewebe und frische Luft. Dies ändert sich nun durch die Fortschritte der Biotechnologie. Ein weiteres Problem im Westen für Firmen wird, dass der Osten vieles kopiert. Um dem entgegen zu wirken, kam im Westen der Begriff der „Piraterie“ auf, um Ansprüche des Ostens abzuweisen.
Dabei gab es Werbekampagnen westlicher Firmen, um ihr Profitdenken in „Gerechtigkeitsansprüche“ einzukleiden. Ein Beispiel ist dafür Monsanto. Dort wird an die „Fairness“ appelliert, wenn der Bauer - wie es seiner Tradition entspricht - Getreide wieder aussät, ohne zu bezahlen (d.h. wenn das Getreide patentiert ist).

VI.  Südliche Positionen: Der Einwand der „Biopiraterie“

„Der dominanten westlichen Schematisierung des Konflikts stehen andere Codes gegenüber, die während der Verhandlungen über die Biodiversitätskonvention und das „Agreement on TRIPs“ mit beispielhafter Deutlichkeit von der Regierung Indiens sowie von verschiedenen asiatischen NGOs ins Spiel gebracht wurden (...) Tatsächlich gehörte Indien neben Brasilien und Thailand zu den prominentesten Adressaten der Sonderklauseln des amerikanischen Handelsgesetzes von 1988 sowie zu den ausdrücklichen Gegnern einer Ausdehnung von geistigen Eigentumsrechten auf lebende Materie und den „Süden“.“ (Heins, S.144)

Das große Problem war insgesamt die Abhängigkeit der westlichen Bio-Industrie vom Input genetischer Ressourcen, die zu einem großen Teil in den Ländern des Südens liegen.
Nun geht die internationale Gesetzgebung immer mehr dahin, die Differenz zwischen Entdeckung und Erfindung immer mehr zu verwischen und damit immer mehr „Natur“ in den Bereich des Patentierbaren rückt.

„Dieser Vorgang der Erschleichung von Gütern und Wissen ohne Gegenleistung und Zustimmung der Betroffenen wird von engagierten NGOs und Vereinigungen indigener Bevölkerungsgruppen als „Biopiraterie“ bezeichnet.““ (Heins, S.145)

Lit: Volker Heins: Modernisierung als Kolonialisierung? In: Daniel Barben/ Gabriele Abels (Hg): Biotechnologie- Globalisierung- Demokratie. Politische Gestaltung transnationaler Technologieentwicklung. Berlin 2000)

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