Forum Bioethik Probleme in England
 

Skandal in Kinderklinik vor Parlament
Entsetzen in London über Organentnahme
London (dpa) Ärzte und Personal an der Kinderklinik Alder Hey im nordenglischen Liverpool haben jahrelang ohne Wissen der Eltern mehr als 2000 Herzen, Gehirnteile und Köpfe von verstorbenen Babys und Kleinkindern entnommen und aufbewahrt. Der englische Gesundheitsminister legte gestern im Parlament einen Bericht über die skandalösen Vorgänge an der größten Kinderklinik Europas vor.

Der Skandal wurde im November 1999 bekannt. „Wir bedauern zutiefst, was in Alder Hey passiert,“ sagte er. Zugleich wurde deutlich, dass das Aufbewahren von Organen in Krankenhäusern des Gesundheitsdienstes in Großbritannien - angeblich zu Forschungszwecken - weit verbreitet ist. Wie Milburn mitteilte, wurden bisher mehr als 
100 000 Organe entnommen, darunter etwa 10 000 von Kindern.
In Alder Hey erreichte die Praxis der illegalen Organentnahme nach Angaben Milburns ihren Höhepunkt, als niederländische Pathologe Dick van Velzen zwischen 1988 und 1995 in Liverpool tätig war. „Niemand hat ihn gestoppt. Es wurde nichts unternommen,“ gestand der Minister ein.

Van Velzen, der von seiner gegenwärtigen Tätigkeit an einem Krankenhaus in Den Haag suspendiert worden ist, soll noch in dieser Woche vor dem British Medical Council (Ärztekammer) aussagen. Auch strafrechtliche Maßnahmen gegen ihn seien nicht ausgeschlossen, erklärte Milburn.

Der Minister kündigte Maßnahmen an, die schriftliche Zustimmung von Eltern zur Organentnahme und Verwendung gesetzlich zu verankern und Verstöße dagegen zu bestrafen. Führende Mitglieder des Krankenhausesmanagement von Alder Hey wurden entlassen. In der Klinik werden jährlich 200 000 Kinder behandelt.

Es sei unfaßbar, dass weder die Kinderklinik noch die Universität von Liverpool das „respektlose Vorgehen“ gestoppt hätten, sagte der Minister weiter. Viele Eltern hätten ihre Kinder sogar bis zu vier Mal begraben müssen, weil ihnen im Verlauf der Untersuchungen einzelne Organe „nachgereicht“ worden seien.
(aus: Braunschweiger Zeitung 31.1.2001)

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