Pressemitteilung 03.06.02
Dr. Peter Liese
Mitglied des Europäischen Parlaments
Europa-Büro
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Ministerrat nimmt Änderungsanträge zum 6. Forschungsrahmenprogramm
an
Streit um Ethik auf spezifische Programme vertagt
Der Ministerrat der Europäischen Union hat am Montag in Luxemburg
die
Änderungsanträge des Europäischen Parlamentes zum so
genannten 6.
Forschungsrahmenprogramm angenommen - damit ist das Programm
beschlossen.
Damit die Forschungstätigkeit wie geplant am 01.01.2003 aus diesem
Programm finanziert werden kann, ist jedoch noch die Annahme der
Durchführungsbestimmungen und der so genannten Spezifischen Programme
erforderlich. Der Rat nahm nach einigen Turbulenzen 34 Änderungsanträge
des Parlamentes an, die in einem informellen Trilog zuvor vom Rat
bereits akzeptiert worden waren. Unter anderem wird in diesen Anträgen
die Verteilung der 17,5 Milliarden Euro auf die verschiedenen
Forschungsbereiche festgelegt. Der größte Anteil des Geldes
wird für
Informationstechnologie ausgegeben (3,625 Mrd.). Für den Bereich
"Lebenswissenschaften, Gentechnik und Biotechnologie im Dienste der
Gesundheit" werden 2,5 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, die nachhaltige
Entwicklung wird mit 2,12 Mrd. Euro gefördert. Das Programm wird
bis
2006 Leitschnur für die Europäische Forschungspolitik sein.
Das Parlament hat auch durchgesetzt, dass im Bereich der medizinischen
Forschung nicht nur die Gen- und Biotechnologie gefördert werden.
Ein
neuer Schwerpunkt der europäischen Forschungsförderung ist
die
Bekämpfung von Kinderkrankheiten. Das Parlament hatte im Mai keinen
Antrag zu den ethischen Grenzen der Forschungsförderung angenommen,
da
den Abgeordneten vom Ministerrat signalisiert worden war, dass im Rat
keine Bereitschaft bestünde, sich mit diesem Thema auseinander
zu
setzen.
Ein interfraktioneller Antrag, umstrittene Forschungstätigkeiten
wie das
Klonen oder die Arbeit mit menschlichen Embryonen aus dem Programm
auszunehmen, wurde daher insbesondere von der sozialistischen und der
liberalen Fraktion (auch von der Mehrheit der deutschen
SPD-Abgeordneten) abgelehnt.
In den letzten Tagen war es dann plötzlich gerade aufgrund der
nicht
vorhandenen Regeln zu diesem Thema zu einem Eklat gekommen. Im Ausschuss
der ständigen Vertreter erreichten die Änderungsanträge
des Parlamentes,
die sich, wie gesagt, gar nicht mit Ethik beschäftigten, keine
Zustimmung, da sich 4 Mitgliedstaaten (Deutschland, Italien, Österreich
und Irland) aufgrund der sehr schwammigen Regeln zu den ethischen
Grenzen nicht in der Lage sahen, den Weg für das 6.
Forschungsrahmenprogramm frei zu machen.
Dies ist deshalb bemerkenswert, da diese 4 Staaten dem gemeinsamen
Standpunkt im Dezember 2001 genau mit diesen schwammigen Regeln
zugestimmt haben. Die 4 Staaten kamen schließlich überein,
den
Änderungsanträgen zum Rahmenprogramm zwar zuzustimmen, aber
in einer
Erklärung zu Protokoll zu geben, dass sie für die spezifischen
Programme
detaillierte Regeln für die ethischen Grenzen der Forschung verlangen,
dabei insbesondere sowohl das reproduktive als auch das therapeutische
Klonen und die Forschung an menschlichen Stammzellen ansprechen wollen.
Ohne eine Zustimmung der 4 Mitgliedstaaten zu den Spezifischen
Programmen können diese nicht angenommen werden, da die 4 Staaten
eine
Sperrminorität bilden. Am Montag hat sich auch noch Portugal dieser
Erklärung angeschlossen.
Dazu erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bioethik
der größten
Fraktion im Europäischen Parlament, Dr. Peter Liese:
"Ich begrüße die neueste Entwicklung ausdrücklich und
ich glaube, dass
das Europäische Parlament mit dieser Entwicklung sehr zufrieden
sein
kann. Es war in den Augen des Parlaments die Pflicht des Rates, die
Kompromissanträge, die nichts mit den ethischen Grenzen der Forschung
zu
tun haben, anzunehmen. Auf der anderen Seite wird der Ministerrat durch
die Erklärung der Mitgliedstaaten gezwungen, endlich
zum Thema
ethische Grenzen der Forschung Farbe zu bekennen, wie wir es im
Parlament seit längerem verlangt haben.
Aus meiner Sicht gibt es zwei Lösungen:
- entweder müssen klare Regeln für den Umgang mit menschlichen
embryonalen Stammzellen aufgestellt werden, wie dies etwa durch den
deutschen Bundestag geschehen ist
- oder man muss die umstrittenen Bereiche wegen der großen Unterschiede
in den Mitgliedstaaten zunächst der nationalen Forschungsförderung
überlassen."
Leider haben bisher weder die Europäische Kommission noch die spanische
Präsidentschaft an einer konstruktiven Lösung mitgewirkt.
Die
Europäische Kommission hat zwar zum Ausdruck gebracht, dass sie
weder
das reproduktive noch das therapeutische Klonen fördern will.
Für den
Umgang mit sogenannten überzähligen menschlichen Embryonen
und
embryonalen Stammzellen will sie jedoch keine detaillierten Regeln.
Weder eine Priorität für die Forschung mit adulten Stammzellen,
noch
eine Stichtagsregelung waren für die Kommission bisher akzeptabel.
Die spanische Präsidentschaft hat stets erklärt, dass der
Rat keine
detaillierten Regeln aufstellen kann. Ich kann mir dies nur so erklären,
dass die Staaten, die für eine weitgehend liberale Regelung nach
dem
Motto "Jeder macht, was er will aber alle bezahlen gemeinsam"
eingetreten sind, bisher energischer verhandelt haben, als die 4
Staaten, die für strenge ethische Regelungen sind. Daher fordere
ich die
Bundesregierung auf, einem spezifischen Forschungsprogramm nur
zuzustimmen, wenn klare Regeln im Sinne des Bundestags erreicht werden
oder umstrittene Forschungsbereiche nicht aus EU-Mitteln, sondern
national finanziert werden.
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