I

Forum Bioethik

Inzwischen hat das Institut seine Arbeit aufgenommen (ab 1.10.2001)


Gründung eines neuen Ethik-Institutes in Deutschland 
durch die acht großen Fachverbände
"Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft" (IMEV)
 

Bisher gab es in Deutschland mehrere Ethik-Institute, die jeweils an Universitäten angeschlossen sind. Die bekanntesten dieser Institute, die sich oft - jeweils mit deutlich anderen Schwerpunkten - in die bioethische Diskussion mit eingegeben haben, sind z.B. das Tübinger und das Bonner Institut. Die Arbeit dieser Institute ist in erster Linie auf die akademische Ebene beschränkt.
In diesem Zusammenhang spielt das neue Ethik-Institut eine besondere Rolle. Im Grunde ist es aus der aktiven kritischen Bioethik- Bewegung hervorgegangen. Dazu einige Daten (siehe auch Homepage des BVMK):
Im März 1998 veranstalteten die vier Fachverbände für Menschen mit geistiger Behinderung einen Kongreß in Kassel mit dem Titel „Die Würde des Menschen ist unantastbar - gegen den Zugriff der Bioethik auf das Leben“. Diese vier Fachverbände waren:
a.  Verband für Anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit e.V.
b.  Bundesverband evangelischer Behindertenhilfe e.V. (BEB)
c.  Verband katholischer Einrichtungen und Dienste für lern- und geistigbehinderte Menschen e.V.
d.  Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.

Weitere Mitveranstalter waren die Initiative „Selbstbestimmt Leben“ und der Bundesverband für Körper-und Mehrfachbehinderte. Auf dieser Tagung wurde die Idee eines neuen Ethik-Institutes entwickelt. 
Nähere Informationen zu der Tagung und der Instituts-Idee unter 
http://www.bvkm.de/ethikinstitut/amimev.

Im Nov.1998 wurde dann zu einem ersten Netzwerk-Treffen in Hamburg eingeladen. Das Besondere an diesem Treffen war, daß sich zwei Gruppierungen bzw. zwei Pole abzeichneten,
a)  eine Gruppe, die aus Vertretern der Bundesverbände für Heilpädagogik und einzelnen weiteren Einzelpersonen bestand, vertrat die Idee eines neuen Ethik-Institutes
b)  andere Teilnehmer vertraten die Idee eines „Netzwerkes“, in dem sich die aktiven Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, die kritisch zur Bioethik arbeiten, sich zusammenschließen
Das Treffen verlief teilweise kontrovers und zeigte die unterschiedlichen Schwerpunkte auf.

Wie schon 1998 war auch das nachfolgende Jahr 1999 von vielen Veranstaltungen und Tagungen zur Bioethik geprägt, da immer die Frage im Hintergrund stand, ob die Bundesregierung eventuell die Bioethik- Konvention unterzeichnet bzw. ratifiziert. Besonders im Bereich der „Basis- Gruppen“ entfalteten sich große Aktivitäten, immer wieder entstanden auch neue Gruppe und Initiativen. 

Im Bereich der kritischen „Bioethik-Bewegung“ zeichneten sich zwei Ströme ab, die auch gern neue Strukturen im Bereich der kritischen Bioethik entwickeln wollten, d.h. die Entwicklung eines neuen Ethik- Institutes und die eines möglichen „Netzwerk bioethik- kritischer Gruppen“, wie immer es aussehen möge. 

So kam es zu verschiedenen Treffen, bei dem jeweils die „Instituts- Idee“ bzw. die „Netzwerk- Idee“ behandelt wurde:
 -  im Juni 1999: Kassel    - Entwicklung der Instituts- Idee
    (insbes. Ausarbeitung der „Gründungserklärung“)
 - im Dez. 1999: Fulda      - Grundlagen eines neuen Ethik- Institutes
   (insbes. Entwicklung eines Gesellschaftervertrages)
  - im Mai 2000: Hannover  - Konkretisierung des Konzeptes für ein neues 
   Ethikinstitut (danach sollen 8 Fachverbände Gesellschafter des neuen Institutes werden zugleich mit der Option, daß ein Netzwerk -falls sich ein solches zu einer juristischen Person formieren würde - bis zu 40% Gesellschafter des neuen Instituts sein kann).
Das Interessante war, daß immer Wert auf die „Basis“ gelegt wurde. Insofern sollte das Institut auch eine erhöhte Sensibilität dafür haben, was in der Bevölkerung bzw. in betroffenen Gruppen empfunden und gedacht wird, d.h. deutlich im Unterschied zu den anderen Instituten, daß es sich nicht nur auf die akademische Ebene bezieht.
Parallel dazu - aber auch (noch) in einem engen Kontakt zu der „Institutsgruppe“ - gab es im Februar 2000 in Braunschweig ein großes Netzwerktreffen mit ca. 120 Personen aus interessierten Gruppen und Initiativen:
 -  Febr.2000 - „Netzwerktreffen“ in Braunschweig:
    Hier sollte erörtert werden, wieweit sich die doch sehr unterschiedlichen          Gruppen zu einem Netzwerk zusammenschließen könnten.

Das Treffen in Braunschweig zeigte aber, wie unterschiedlich die einzelnen Gruppen und Personen sind,  und daß es fast unmöglich schien, sich zu einem Netzwerk zusammenzuschließen, da einige Gruppen es auch grundsätzlich  ablehnten und andere Gruppen es wiederum für überflüssig hielten, da die „Kommunikation“ schon sehr gut und auch effektiv sei. Trotzdem hatten von den anwesenden Teilnehmern ca.50- 60 Personen und Gruppen Interesse an einem Zusammenschluß und trugen sich zu diesem Zweck auch in eine Liste ein. (Leider wurde bisher nichts daraus).

Weitere Entwicklung:
 -  Herbst 2000: Konkrete Fragen bezüglich der Finanzierung eines Institutes      werden behandelt.
-    Juni  2001:  Voraussichtliche Gründung des neuen Ethik- Institutes mit der Bezeichnung „Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft“ (IMEW).
Der „Gesellschaftsvertrag“ und die Gründungserklärung“ sind auf der Homepage des Bundesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte (BVKM) zu finden: www.bvkm.de/index_ethikinstitut.html

Das neue Ethik- Institut: Was ist das Besondere?

Außer dem Punkt, daß dieses Institut einen näheren Kontakt zu den verschiedenen Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen haben möchte, die an der Thematik interessiert  bzw. davon betroffen sind, gibt es noch einen anderen wesentlichen Unterschied zu anderen Ethik- Instituten: Der Begriff Ethik wird wahrscheinlich grundsätzlicher gesehen. 

Was heißt das? Die moderne Ethik- Diskussion spaltet den Begriff Ethik immer mehr auf. Konkret sieht das so aus, daß man z.B. von einer politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen Ethik usw. spricht.
Das neue Ethik- Institut möchte Ethik aber in seinem umfassenden und grundsätzlichen Zusammenhang sehen. (Und das spielte plötzlich ganz praktisch in dieser Gründungsphase eine größere Rolle, als man vorher gedacht hatte).
Diese Sichtweise hatte im Vorfeld der Gründung zu einer interessanten Erfahrung geführt, als es nämlich darum ging, auch dieses Ethik- Institut - wie eben auch die anderen - an eine Universität anzugliedern. Dabei hatte man zunächst an die Universität Witten- Herdecke gedacht.

Interessanterweise wurde von dem dortigen Präsidenten, Prof.Dr.Zimmerli, - der von zu Hause aus Philosoph ist (er hatte seine philosophische Laufbahn in Braunschweig gerade in dem Institut begonnen, das später durch ein umstrittenes Singer-Seminar stadtbekannt wurde) -gerade mit der Begründung abgelehnt, daß es sich hier jeweils um unterschiedliche Sichtweisen der Ethik handele. Klaus Dörner und Katrin Grüber hatten als Vertreter eines möglichen neuen Institutes ein Gespräch wegen einer Anbindung geführt.
In einem Brief versicherte Herr Zimmerli später, daß er die grundsätzliche Haltung zur Ethik des neuen Ethik-Institutes nicht ablehne; es blieb jedoch bei der Absage, da die Universität u.a. auch ein eigenes Ethik- Institut plane.

Von daher wird es auch im weiteren interessant sein, an welchem Ort das Institut angesiedelt wird und ob und mit welcher Universität es verbunden wird. 
Angesichts der modernen und abstrakten philosophischen und ethischen Diskussionen sollte es eigentlich nicht eine „Fachdisziplin“ neben anderen sein: Immerhin geht es hier um das Leben von Menschen, und auch Philosophen und Ethiker sollten sich diesen Fragen stellen.
 

Eine andere wichtige Positionierung des neuen Institutes ist darüberhinaus
auch in Hinblick auf eine deutliche Abgrenzung gegenüber bestimmten Bioethikern gegeben, die - wie im Nachklang der Sloterdijk- Debatte -  auf philosophischen Kongressen zu ethischen Fragen Stellung beziehen und dort u.a. die „Freigabe genetischer Selektionen und Abtreibungen bis zur Geburt“ fordern, da ungeborene
Kinder aus ethischer Sicht nicht schutzbedürftig seien.

So geschehen auf dem Philosophischen Kongreß in Konstanz im Herbst 1999:

Vision vom neuen Menschen
Zum Stand der Sloterdijk-Debatte - Wie Philosophen die Gen-Technik sehen
Die Sloterdijk- Debatte hat auf dem Philosoohen- Kongress in Konstanz eine neue Dimension erhalten. Indirekt gaben etliche Teilnehmer Peter Sloterdijk, der durch seine Thesen von der biochemischen Auslese des Menschen Aufsehen erregt hatte, Rückendeckung.
Am weitesten ging dabei der Düsseldorfer Medizin- Ethiker Prof. Dieter Birnbacher. Er sprach sich für eine „Freigabe genetischer Selektionen und Abtreibungen bis zur Geburt aus. Die reproduktive Selbstbesimmung der Eltern müsse ausgeweitet werden, aus ethischer Sicht seien ungeborene Kinder nicht schutzbedürftig...“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom
09.10.1999)

Viele Eltern, die Kinder haben, werden angesichts solcher Äußerungen wahrscheinlich sprachlos sein. Für einen Heilpädagogen sind sie eine Zumutung. - Auf jeden Fall aber wird sich das neue Institut solchen Positionen gegenüber abgrenzen. Insofern ist hier auf die Gründungserklärung des Institutes zu verweisen, die sich in besonderer Weise auf Levinas bezieht und grundsätzlich jedem Menschen Würde zugesteht und das Recht zu leben. Die Gründungserklärung, die ein schönes Beispiel für ein Ringen um eine moderne tragfähige und zukunftsorientierte Ethik ist, kann auf der Internet-Seite des BVKM nachgelesen werden 
(www.bvkm.de/index_ethikinstitut.html)

Neue Adresse ab 1.10.2001
IMEW, In den Ministergärten 4, 10215 Berlin, Tel: 030- 726 290 402

home        back         side