Forum Bioethik Rede von Hubert Hüppe, MdB

anläßlich der Beratung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion "Verbot des
Klonens menschlicher Embryonen weltweit durchsetzen" (14/9537)

und des Antrags der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
"Das Klonen menschlicher Embryonen international ächten"

am 4. Juli 2002
 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verfolgt das Ziel, ein
tatsächliches Verbot des Klonens menschlicher Embryonen weltweit
durchzusetzen. Wir führen heute eine Debatte aus dem Bereich der
Bioethik, die nicht neu ist, die aber an Brisanz nichts verloren hat.

Im Juni 2001 haben der damalige französische Außenminister Védrine und
der deutsche Außenminister Fischer mit großem Wirbel eine gemeinsame
Initiative bei den Vereinten Nationen verkündet. Man wolle sich
gemeinsam für ein international verbindliches Rechtsinstrument zum
Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen einsetzen. Bei näherer
Betrachtung stellt sich die Frage, was eine solche Konvention erreichen
kann und was sie bezwecken soll.

Es gibt wohl einzelne - ganz wenige - Personen, die das reproduktive
Klonen gutheißen. Eine Sekte und einige Reproduktionsmediziner, alle
sehr umstritten, haben verkündet, sie strebten die Geburt geklonter
Kinder an.

Aber gibt es einen einzigen seriösen Wissenschaftler, der sich für
reproduktives Klonen einsetzt? Und können wir ein einziges Land
benennen, das eine solche Position vertritt? Es gibt kein Mitglied der
internationalen Staatengemeinschaft, das das reproduktive Klonen von
Menschen gutheißt. Das angestrebte Verbot des reproduktiven Klonens von
Menschen ist ein Scheingefecht, das von ethisch weitaus brisanterem, von
einer weitaus größeren Gefahr für die Menschenwürde ablenkt.

Wir sind uns hoffentlich in diesem Hause einig, dass das Klonen
menschlicher Embryonen mit der Menschenwürde unvereinbar ist - und zwar
völlig unabhängig vom damit verfolgten Zweck. Dies betrifft sowohl das
reproduktive Klonen mit dem Ziel der Geburt eines geklonten Kindes, als
auch das sogenannte "therapeutische Klonen" zu Forschungswecken oder zur
Gewinnung von embryonalen Stammzellen.

Nicht nur der menschliche Embryo würde instrumentalisiert. Das Klonen
würde den Weg zu genetischen Eingriffen eröffnen, zum eugenisch
optimierten Kind nach Maß. Und es würde Frauen als Eizellspenderinnen
instrumentalisieren. Angesichts der geringen Erfolgsquote des Klonens
wären massenhafte Eizellspenden unter risikoreichen und belastenden
Hormonbehandlungen nötig.

Das Verbot jeglichen Klonens ist die Position des deutschen
Embryonenschutzgesetzes, und das ist gut so.

Klonen ist jede auf die Erzeugung einer totipotenten Zelle gerichtete
Intervention durch Verfahren der Embryoteilung - sogenanntes
Embryonensplitting - oder des Kerntransfers - wie beim Klonschaf Dolly.
Der biologisch-technische Vorgang zur Erzeugung eines menschlichen
Embryos durch Klonen ist stets derselbe, und zwar völlig unabhängig
davon, was mit dem Embryo hinterher geschehen soll. Durch diesen
biologisch-technischen Vorgang des Klonens entsteht wie bei der
natürlichen Zeugung ein einzelliger Embryo, die früheste Daseinsform
eines menschlichen Individuums - eine Phase der menschlichen Existenz,
durch die jede und jeder von uns einmal gegangen ist.

Was nun das "reproduktive Klonen" vom Klonen zu Forschungszwecken -
wohlklingend als "therapeutisches Klonen" umschrieben - unterscheidet,
ist einzig und allein das geplante zukünftige Schicksal des geklonten
Embryos. Beim reproduktiven Klonen wird das Austragen und die Geburt des
Klons angestrebt, während im anderen Falle seine Tötung zu
wissenschaftlich-medizinischen Zwecken das Ziel ist.

Weil die Menschenwürde jede Instrumentalisierung des Menschen untersagt,
verbietet sie die Schaffung eines geklonten Kindes zur Erfüllung des
Kinderwunsches der Eltern. Erst recht aber verbietet die Menschenwürde
die Schaffung eines geklonten Embryos mit der Zielsetzung, ihn für
Forschungs- oder therapeutische Zwecke zu töten.

Unser Grundgesetz garantiert die Forschungsfreiheit. Sie ist ein hohes
Gut. Forschungsfreiheit findet aber ihre Grenze dort, wo ein
menschliches Leben instrumentalisiert und nicht mehr als Zweck an sich
respektiert wird, wo die Menschenwürde verletzt wird.

Dies ist eine Haltung, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft als
führende deutsche Wissenschaftsorganisation einnimmt. Die Deutsche
Forschungsgemeinschaft hat im Mai 2001 erklärt, "daß sowohl das
reproduktive als auch das therapeutische Klonen über Kerntransplantation
in entkernte menschliche Eizellen weder naturwissenschaftlich zu
begründen noch ethisch zu verantworten sind und daher nicht statthaft
sein können." Auch die Biomedizinkonvention des Europarates enthält nach
bisheriger Lesart der Bundesregierung implizit ein Verbot des Klonens
menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken.

Wir wissen, dass Forschung heute nicht an den nationalen Grenzen
haltmacht. Aber auch eine zunehmend internationale Forschung kann nicht
im rechtsfreien Raum stattfinden. Es besteht daher tatsächlich ein
Bedarf für geeignete internationaler Rechtsinstrumente, die jedes Klonen
menschlicher Embryonen ächten und wirksam unterbinden.

Das von der Bundesregierung angestrebte Verbot nur des reproduktiven
Klonens ist aber ein untaugliches Instrument - in mehrfacher Hinsicht.

Ein solches teilweises Klonverbot würde zunächst den Eindruck erwecken,
dass das "therapeutische Klonen" menschlicher Embryonen zu
Forschungszwecken keinen Einwänden begegnet, die ähnlich schwer wiegen
wie beim reproduktiven Klonen. Es würde die massenhafte industrielle
Erzeugung von geklonten Forschungsembryonen zulassen. Menschliche
Embryonen könnten zur verfügbaren Ressource werden.

Zudem würde das von der Bundesregierung angestrebte Teilverbot des
Klonens nicht einmal das reproduktive Klonen wirksam verhindern können.
Denn wenn erst einmal zu "therapeutischen" oder Forschungszwecken
geklonte menschliche Embryonen in reproduktionsmedizinischen Labors
verfügbar sind, wird es einen internationalen Markt für Klonembryonen
geben. Wer wird dann noch kontrollieren können, wer auf diesem
internationalen Markt geklonte Forschungsembryonen in Auftrag gibt,
welche Behörde oder Ethikkommission wüßte, wer Klonembryonen importiert,
kauft oder verkauft?

Und wer könnte überwachen, ob mit solchen Embryonen, wenn sie erst
einmal vorhanden sind, nicht auch Schwangerschaften herbeigeführt
werden? Wie sollte das Verbot des reproduktiven Klonens, also der Geburt
eines geklonten Kindes, durchgesetzt werden, sobald eine solche
Schwangerschaft besteht? Und sollte schließlich ein geklontes Kind
geboren werden, sollte seine Mutter bestraft werden?

Ein explizites Verbot ausschließlich des reproduktiven Klonens,
verbunden mit der impliziten Erlaubnis des Klonens zu anderen Zwecken,
würde letztlich die rechtliche Verpflichtung bedeuten, geklonte
menschliche Embryonen zu vernichten. Die einzige Möglichkeit, das Leben
dieses menschlichen Lebewesens zu erhalten - nämlich seine Übertragung
auf eine Frau, damit das Kind geboren werden kann - diese
lebensfreundliche Möglichkeit wäre eine Straftat.

Eine solche Regelung mit der Menschenwürde zu begründen ist absurd. Wer
reproduktives Klonen tatsächlich unterbinden will, muß sich für ein
umfassendes Verbot des Klonens menschlicher Embryonen einsetzen. Die
CDU/CSU befürwortet mit allem Nachdruck ein weltweit gültiges
Rechtsinstrument. Aber dieses Rechtsinstrument muß die Unvereinbarkeit
jeder Art des Klonens menschlicher Embryonen mit der Menschenwürde
festschreiben.

Die USA haben am 26. Februar 2002 vor dem für die Klonkonvention
zuständigen Sonderausschuß ausdrücklich erklärt, dass sie keine
Konvention unterstützen, die auf ein Verbot des reproduktiven Klonens
beschränkt ist. Dagegen findet ein umfassendes Verbot jeglichen Klonens
menschlicher Embryonen die ausdrückliche Unterstützung der USA.

Warum finden wir die Bundesregierung hier nicht an der Seite der
Vereinigten Staaten?

Welche diplomatischen Rücksichten glaubt die Bundesregierung nehmen zu
müssen?

Diese Haltung ist völlig unverständlich. Man hatte doch immer
argumentiert, dass gerade in den USA praktisch alles erlaubt und möglich
sei. Gerade die USA wurden als das Land hingestellt, wo es einen Konsens
wie beim deutschen Embryonenschutzgesetz nicht gebe. Aber jetzt, da mit
den USA ein starker Verbündeter da wäre, will man sich eine Hintertür
offenhalten.

Warum bedarf es eines Antrages der CDU/CSU, um von der Bundesregierung
auf internationaler Ebene eine in einer ethisch entscheidenden Frage
klare und der deutschen Verfassungslage entsprechende Haltung
einzufordern? 

Immerhin hat der Antrag der CDU/CSU Sozialdemokraten und Grüne zu einem
eigenen Antrag in letzter Minute herausgefordert. Er trägt den Titel
"Das Klonen menschlicher Embryonen international ächten". "Ächten" ist
ein starkes Wort, in dem moralische Verurteilung liegt. Von einer
Regierungskoalition, die ein bestimmtes Tun "ächten" will, und von der
durch sie getragenen Bundesregierung läßt dies erwarten, dass nun
tatsächlich alle Kraft aufgewandt wird und die wirksamsten Mittel
eingesetzt werden. Doch der von SPD und Grünen vorgelegte Antrag ist bei
genauem Hinsehen enttäuschend.

Tückisch und heuchlerisch ist die Passage im Antrag von SPD und Grünen,
die fordert: "den Prozess der Beratungen möglichst bald in einen
Beschluß über die Konvention über das Verbot reproduktiven Klonens
münden zu lassen". 

Tückisch ist dies deshalb, weil völlig klar ist, was eine vollendete
Konvention über das Verbot ausschließlich des reproduktiven Klonens
bedeutet. Eine solche Konvention wäre kein Zwischenschritt in die
richtige Richtung, sondern vielmehr der Endpunkt der internationalen
Anstrengungen zum weltweiten Verbot jeden Klonens.

Heuchlerisch ist diese Passage, weil sie alle anderen Formulierungen,
mit denen scheinbar die Ablehnung jeglichen Klonens bis hin zur
"Ächtung" beschworen wird, zu reinen Lippenbekenntnissen degradiert. 

Da fordern SPD und Grünen wörtlich "bei den im Rahmen der Vereinten
Nationen stattfindenden Verhandlungen ihre Ablehnung jeglicher Form des
Klonens menschlicher Embryonen zum Ausdruck zu bringen und im Zuge der
Verhandlungen klarzustellen, dass die internationale Ächtung des
reproduktiven Klonens aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland keine
Legitimation für andere Formen oder Zielsetzungen des Klonens
menschlicher Embryonen darstellt".

Was für einen Wert aber hätte dies, wenn die selbe deutsche Delegation
sich gleichzeitig dafür einsetzt, "den Prozess der Beratungen möglichst
bald in einen Beschluß über die Konvention über das Verbot reproduktiven
Klonens münden zu lassen"? Alle Verhandlungspartner würden unterscheiden
können zwischen dem, was die deutsche Delegation "möglichst bald"
erreichen will einerseits, und dem formelhaften Lippenbekenntnis
andererseits.

Das Klonen menschlicher Embryonen ist der falsche Ort, sich eine
Hintertür vermeintlicher Forschungsfreundlichkeit offenzuhalten. Die
deutsche Delegation bei den Vereinten Nationen soll ein klares
Verhandlungsmandat bekommen, das es ihr ermöglicht, die Chancen zu
nutzen, die tatsächlich vorhanden sind. Deutschland muß sich auf
internationaler Ebene den Staaten anschließen, die für ein wirkliches,
umfassendes Verbot des Klonens streiten.

Ich weiß, dass es in den anderen Fraktionen zahlreiche Kolleginnen und
Kollegen gibt, die in der Sache genauso denken, wie wir dies in unserem
Antrag formuliert haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese
Kolleginnen und Kollegen dem Antrag der Koalition ihre Zustimmung geben
können. Lassen Sie uns deshalb heute gemeinsam eine klare
Positionsbestimmung vornehmen.

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