Forum Bioethik

d. Neue Euthanasie- Debatte


Noch vor einigen Jahren wäre eine Diskussion über Euthanasie in Deutschland undenkbar gewesen. Durch die Aktionen im 3.Reich ist jedoch allein dieser Begriff - wenigstens in Deutschland - sehr belastet, insbesondere da auch eine Verbindung zu den Menschenversuchen gegeben war.
In anderen Ländern wird der Begriff noch in seiner „normalen“ Bedeutung verwendet, also im Sinn von aktiver Sterbehilfe. Dabei treten aber die eigentlichen Probleme, die mit dem Begriff verbunden sind, deutlich in den Vordergrund, insbesondere in der Situation in den Niederlanden.  Auch wenn dort die Haltung sehr verbreitet ist, daß Euthanasie im eigenen Land, d.h. in den Niederlanden akzeptiert wird, es aber für andere Länder, z.B. die USA abgelehnt wird. Es ist jedoch die Frage, welche Haltung dem Menschen bzw. auch dem Leben gegenüber zum Ausdruck kommt und ob man nicht auf eine schiefe Bahn gerät („slippery slope“), deren Auswirkungen unüberschaubar sind.
Die neue Euthanasie- Debatte ist sicherlich auch nicht zu trennen vonden begleitenden Phänomenen in der Gesellschaft: Gewalt an Behinderten; Gerichtsurteile, die in ihren Begründungen für Behinderte problematisch sind; Vereinsamung älterer Menschen und deren Behandlung in Pflege- Einrichtungen; neues eugenisches Denken in der Pränataldiagnostik; selektives Denken in der Philosophie und Medizin usw.
Sicherlich ist auch wichtig, eine ruhige und sachliche Diskussion zu führen - aber es gibt auch Grenzen, deren man sich bewußt sein sollte.

Wenn man sich für Sterbehilfe entscheidet, nimmt man sich vielleicht auch die Möglichkeiten, nach Ursachen für den Wunsch zu fragen, vielleicht auch die Lebenssituationen zu ändern oder zu verbessern, nach wirklichen anderen Lösungen zu suchen.

Hier in Stichworten einige kurze - sehr unvollständige - Angaben zu Fragen der Euthanasie in verschiedenen Ländern:

Deutschland: Zur Frage des Umgangs mit sterbenden Menschen sind hier folgende Fälle wichtig:
a.  der Kemptener Fall (1994): nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes wurde das Absetzen der künstlichen Ernährung bei einer 72jährigen Koma-Patientin für rechtlich zulässig erklärt.
b.  die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ von 1998. Hier wurden Maßnahmen der Sterbehilfe auf nicht sterbende Menschen mit „infauster“ (d.h. ungünstiger) Prognose oder „lebensbedrohlicher“ Schädigung ausgeweitet.

USA: In den USA gibt es eine starke Euthanasie-Bewegung, in der das Selbstbestimmungsrecht und das Lindern von Leid eine große Rolle spielt. „Niemand soll leiden, nur weil er sich nicht äußern kann.“( Marvin Kohl, Bioethiker aus New York) Mit Begründungen wie dieser erfolgte z.B. der Übergang von der freiwilligen zur unfreiwilligen Euthanasie. Euthanasie-Entscheidungen für Koma-Patienten sind 1998 etwa in 10 US-Bundesstaaten gesetzlich möglich, Entscheidung über die Standardbehandlung von behinderten Säuglingen in drei Bundesstaaten.

Niederlande:
Die Situation in den Niederlanden ist schon eine besondere, da es hier weltweit das einzige Euthanasie- Gesetz gibt. Seit längerem gibt es dort die Praxis der Euthanasie, d.h. im Durchschnitt sterben dort etwa 3000- 4000 Menschen durch aktive Sterbehilfe. 1994 gab es dazu ein Gesetz, das diese Praxis offiziell straffrei war, wenn bei der Durchführung bestimmte Kriterien beachtet wurden.
Ein Ausschuß der Regierung untersuchte in den Jahren 1990 und 1995 die näheren Zusammenhänge in einer Befragung der Ärzte, denen bei der Beantwortung Straffreiheit zugesagt wurde (Remmelink-Ausschuß). Hierbei ergab sich, daß in zahlreichen Fällen aktive Sterbehilfe auch ohne vorherige Einwilligung durchgeführt wurde. (Nähere Angaben dazu in: Michael Wunder, Die neue Euthanasie- Debatte in Deutschland vor dem Hintergrund der Geschichte und der internationalen Entwicklung. In: Ulrich Bach/ Andreas de Kleine (Hrsg), Auf dem Weg in die totale Medizin? Eine Handreichung zur „Bioethik-Debatte“. Neukirchener Verlag).
Im November 2000 wurde schließlich ein offizielles Euthanasie- Gesetz verabschiedet, das in zahlreichen Ländern kritisiert wurde,, in Deutschland u.a. auch von der Bundesjustizministerin Hertha Däubler- Gmelin.

Belgien
Im Jahr 2002 wurde in Belgien ein neues Euthanasiegesetz verabschiedet, das noch
weitreichender als das in den Niederlanden ist.
 

Infos:

Rede von Dr.Andre Wynen zur Euthanasie in Belgien 
     (Rostock, 28.05.2002; Info Büro Hüppe) 
Belgien bekommt liberalstes Sterbehilfe-Gesetz der Welt 
      (dpa, vom 15.05.2002)   Info: Büro Hüppe 
 

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