27.10.2015
Liebe Interessenten des Fritz Bauer Freundeskreises,

anbei weitere aktuelle Infos zum Thema Fritz Bauer:

Zunächst einige Infos zum Thema NS-„Euthanasie“. Fritz Bauer war auch hiermit stark befasst,
was oft vergessen wird. Meist wird Bauer reduziert auf die Ergreifung Eichmanns und den Auschwitz-Prozess. Dabei hatte er zeitgleich mit dem Auschwitz-Prozess Ermittlungen zur NS-„Euthanasie“ aufgenommen, die den Umfang der Auschwitz-Ermittlungen weit übertrafen. Immerhin gibt es so ca 80.000 Seiten Prozess-Akten von Bauer zur NS-„Euthanasie“ – im Vergleich zum Auschwitz-Prozess, dort gab es ca 18.000 Seiten Prozess-Akten, wie Irmtrud Wojak bestätigte. Und die umfangreichen Akten von Bauer zur NS-„Euthanasie“ harren noch auf Auswertung, noch sind sie weitgehend unbearbeitet, Eigentlich ein Unding.
Auch das Buch „NS-Euthanasie vor Gericht“ – Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung vom Fritz Bauer Institut aus dem Jahr 1996 behandelt diese Ermittlungen nicht, sondern es beschäftigt sich mit der Anschuldigung Bauers gegen die Juristen, die die „NS-Euthanasie“ rechtlich abgesichert hatten. Richtiger müsste das Buch eigentlich heißen „NS-Justiz vor Gericht“. So ist also ein wichtiges Thema von Bauer weiterhin nicht bearbeitet...
Von daher am Anfang einige weitere Beiträge zum Thema „NS-Euthanasie“, um das Thema auch in diesem Zusammenhang weiter zu thematisieren.

1. NS-„Euthanasie“
- Bericht von der Frühjahrstagung des „Arbeitskreises zur Erforschung der NS-‚Euthanasie’ und Zwangssterilisation“ vom 5.- 7. Juni 2015 in Großschweidnitz (Sachsen), von U.Dittmann.   Anhang 1

- Bericht über den Besuch der japanischen Geschichtsstudentin Aiko Kino in Braunschweig beim „Denkmal der Grauen Busse“ am 7.Juni 2015, von U.Dittmann. Aiko Kino hat eine erste Arbeit über die NS-„Euthanasie“-Anstalt Grafeneck in japanisch geschrieben. Thema ihrer Dissertation ist die Zwangssterilisation im 3.Reich. In Braunschweig besuchte sie auch eine Förderschule für geistig Behinderte und die Schülerausstellung zur NS-„Euthanasie“ in der Helmstedter Straße.         Anhang 2

- Do, 5.Nov. 2015,  um 19.00 Uhr   Berlin
„Tiergartenstraße 4 – Geschichte eines Täter- und Erinnerungsortes“ – Begleitmedien zum Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde
mit Dr, Annette Hinz-Wessels, PD Dr. Grrit Hohendorf, Dr. Christoph Beyer
Veranstaltungsort: Dokumentationsort Topographie des Terrors, Berlin                                   Anhang 3

- Do, 19.Nov. 2015,  um 19.00 Uhr   Braunschweig
Vortrag zur Broschüre „ausliefert. Euthanasie im Lande Braunschweig“ mit Regina Blume und Susanne Weihmann.
Ort: Gedenkstätte Schillstraße, Schillstraße 25, Braunschweig

Bücher:
- Was war los in Hohehorst? von Astrid Felguth
Ein fiktiver Roman über ein behindertes Kind in einem „Lebensborn“-Heim in Leichter Sprache.
Erhältlich im Lebenshilfe-Verlag.
http://www.lebenshilfe.de/de/buecher-zeitschriften/buecher/dateien/Was-war-los-in-Hohehorst.php

- „Leistet nichts. Zu schwach. Nicht einsatzfähig.“ Hintergründe zu den Gräbern ausländischer Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, von Carola S. Rudnick.    Anhang 3a

2. Fritz Bauer Institut
- „Sang- und klanglos und verheerend milde“. Am 19. und 20.August 1965 endete der Frankfurter Auschwitz-Prozess, folgenreich waren vor allem die niedrigen Strafen für „Gehilfenschaft“, Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 19.Aug. 2015, von Werner Renz.                                           Anhang 4
Das Enorme an dem Artikel ist vielleicht der Hinweis, dass ursprünglich Hans Forester den Vorsitz haben und Johann Heinrich Niemöller den Beisitz übernehmen sollte. Forester war jüdischer Jurist und im Exil gewesen, und Niemöller war Sohn des ehemaligen KZ-Häftlings Martin Niemöller. Forester erklärte sich als befangen. Stattdessen bekam der Chef einer Führungs-Nachrichten-Kompagnie und späterer Oberstabsrichter Hans Hofmeyer den Vorsitz für den Auschwitz-Prozess. Erklärt das die milden Urteile?

- Di, 3.Nov 2015,        14.30- 17.00 Uhr           Frankfurt
„Sinti und Roma“, eine Veranstaltung des Pädagogischen Zentrums des Fritz Bauer Institutes und des Jüdischen Museums, im Erwin-Stein-Haus, Stuttgarter Str. 18-14, Frankfurt                        Anhang 4a

Rezensionen zur Neuerscheinung „Von Gott und aller Welt verlassen“, Fritz Bauers Briefe an Thomas Harlan, von Werner Renz (Sept. 2015)
- Die sanfte Seite des Kämpfers“, von Hans Rubenich, in NZZ vom 13.10.2015
http://www.nzz.ch/international/deutschland-und-oesterreich/die-sanfte-seite-des-kaempfers-1.18629082

- „Lutfleerer Raum“. Der bemerkenswerte Briefwechsel zwischen dem Juristen Fritz Bauer und dem Künstler Thomas Harlan, von Ronen Steinke, in SZ vom 19.Okt. 2015
http://www.sueddeutsche.de/politik/nazijaeger-luftleerer-raum-1.2698869

3. Zu Fritz Bauer
- In der SZ vom 24./ 25 Okt. 2015  ist ein neuer Artikel zu Fritz Bauer erschienen: „Ein Erschütterer“  - Chefankläger gegen die Nazis. Fritz Bauer rückt endlich dahin, wo er hingehört – ins öffentliche Bewusstsein“ von Heribert Prantl.
http://www.sueddeutsche.de/leben/historie-ein-erschuetterer-1.2702040
Zwei Angaben in dem schönen Beitrag sind ungenau: Dr.Werner Heyde war nicht Euthanasie-Arzt, sondern Leiter der T4 und Obergutachter. Und: Über das Treuegelöbnis (das noch umstritten ist, siehe Punkt 5) hat Bauer später nie gesprochen, außer in dem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“.

- Im Spiegel vom 23.Okt. 2015 ist unter der Überschrift „Heikle Aktenfunde zu Nazijäger Fritz Bauer“ ein Bericht über den neuen Artikel von Georg D.Falk „Der ungesühnte Justizmord an Stanislawa Janczyszyn“ erschienen. Dieser Beitrag wird im neuen Bulletin des Fritz Bauer Institutes veröffentlicht (auch im letzten Rundbrief vom 12.10.2015, Anhang 4). Auch hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf.
http://m.spiegel.de/spiegel/vorab/a-1059298.html#spRedirectedFrom=www&referrrer=http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/

- Die Fritz Bauer-Biographie von Irmtrud Wojak ist vergriffen. Eigentlich ein Unding, ist doch Fritz Bauer zurzeit im Kommen oder, wie Heribert Prantl es ausdrückt: er rückt ins öffentliche Bewusstsein.
Das scheint dem Beck-Verlag noch nicht ganz klar zu sein. Gerade diese Biographie von Irmtrud Wojak hatte so vieles bewegt. Der Piper-Verlag, in dem die neue Biographie von Ronen Steinke erschien, ist da wesentlich präsenter. Eine Neuauflage wäre dringend geboten.

4. Zum Film „Die kommenden Tage“ von Lars Kraume
Der Regisseur Lars Kraume ist inzwischen sehr bekannt geworden durch den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Weniger bekannt ist vielleicht sein Film „Die kommenden Tage“ aus dem Jahr 2010, der sehr aktuell sein könnte. Es ist einer der wenigen deutschen Science-Fiktion-Filme und beschreibt die Situation 2020 in Deutschland und Europa:
Die EU ist zerfallen und der Rest von Europa verbarrikadiert sich hinter Mauern an den südlichen Alpen, angesichts großer Flüchtlingsströme aus Afrika. In Deutschland ist die Kluft von arm und reich größer geworden, Berlin ist eine Alptraumkulisse geworden, es mutet an wie Lateinamerika, dazu Massendemonstrationen angesichts eines weiteren Golfkrieges um Öl.
Dazu ein interessanter Bericht aus dem Spiegel von 2010, der sehr aktuell klingt.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/zukunftsvision-die-kommenden-tage-guerillas-in-nadelstreifen-a-726680.html

 

5. Zum „Treuegelöbnis“ von Fritz Bauer
Die Frage des Treuegelöbnisses von Bauer ist weiterhin noch sehr umstritten, obwohl es z.B. in der Bauer-Biographie von Ronen Steinke oder im neuen Bauer-Film von Lars Kraume als Tatsache hingestellt wird. Es geht darum, ob Fritz Bauer im November 1933 in Ulm mit weiteren sozialdemokratischen Gefangenen ein Treuegelöbnis zu Hitler unterzeichnet hat, um aus der Haft entlassen zu werden. Eindeutige Unterlagen gibt es bisher dazu nicht.
Eine Anfrage bei dem Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg/ KZ-Gedenkstätte in Ulm zeigt, dass noch nicht alle Fragen endgültig beantwortet sind. Es besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Anbei das Antwortschreiben des Dokumentationszentrums, in dem offene Punkte benannt werden.  Anhang 5

6. Film zu Heinz Düx – dem Untersuchungsrichter im Auschwitz-Prozess
Der Film „Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx“ (über den Untersuchungsrichter im Auschwitz-Prozess) wird gezeigt in
Bremen: - Mi, 4.Nov. 2015,   um 19.00 Uhr    
               - So, 8.Nov. 2015,   um 12.00 Uhr    (als Matinee)
         jeweils in der Schauburg, Bremen (als dokumentarische Ergänzung zum Film „Der Staat gegen
         Fritz Bauer)
Erlensee /bei Frankfurt: - 9.Nov. 2015,  um 20.00 Uhr      Evang. Gemeindehaus, Langendiebach
www.roesingfilm.de

7. Fritz Bauer Freundeskreis
Das nächste Treffen des Fritz Bauer Freundeskreises ist am Montag, den 30.11.2015, um 17 Uhr im DGB-Haus, Braunschweig, Wilhelmstraße 5                                                                             Anhang 6

Weiterer Hinweis:
- Mo, den 16.11.2015,    um 19.00 Uhr    Braunschweig
„Es ist Zeit, daß jetzt etwas getan wird.“ – Das Attentat vom 20.Juli 1944 und Fritz Bauer.
Realisation – Reaktion – Rezeption. Vortrag von Prof. Dr. Gerd Biegel
Ort: Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte

 

Viele Grüße
Udo Dittmann

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