Schriftenreihe des "Freundeskreises Fritz Bauer"
Texte über den ehemaligen Generalstaatsanwalt in Braunschweig und Frankfurt am Main
Fritz Bauer (1903- 1968)

Heft 10:

Platzbenennung

Wie der Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig 2012
in Fritz Bauer Platz umbenannt wird

 

1.  Fritz Bauer - Der streitbare Jurist  
      Prof.Biegel schlägt in seinem Vortrag eine neue Platzbenennung vor
2.  Fritz Bauer Platz wird Wirklichkeit
      Artikel in der Braunschweiger Zeitung zur neuen Platzbenennung
3.  Danksagung
     Stufen der Entstehung der Platzbenennung
4.   Begründung der Stadt Braunschweigung
     hinsichtlich einer Platzbenennung nach Fritz Bauer

 

Auftaktveranstaltung zum Jahr des „Remer-Prozesses“ von 1952 in Braunschweig

1.„Westdeutschlands Nazijäger Nr.1“

Zum Vortrag von Prof. Dr. h.c. Biegel „Der streitbare Jurist“ über Fritz Bauer
am 26.01.2012 im Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte, Braunschweig

Es war ein spannender Vortrag – mit weit über 100 Zuhörern im vollbesetzten Saal des Instituts, darunter auch Generalstaatsanwalt Norbert Wolf. Inzwischen besteht ein größeres Interesse an der Person von Fritz Bauer in Braunschweig. Noch vor einigen Jahren war das deutlich anders. Da hatte Gerd Biegel schon zwei Mal Vorträge über Fritz Bauer gehalten. Es waren jeweils nur wenige Leute gekommen, die meisten davon hatten Fritz Bauer gar nicht gekannt.

Auch in dem Heft „Braunschweig Spezial“ von 2005 über die 100 größten Braunschweiger taucht Fritz Bauer zwar auf, aber Biegel erwähnt, dass er bei der Abstimmung der Braunschweiger Zeitung dann nicht eine Stimme erhalten hatte. Das verändert sich inzwischen, das Interesse wächst, insbesondere seit der Biographie von Irmtrut Wojak aus dem Jahr 2009 und dem Fritz-Bauer-Film.

In dem Jahr 2012 jährt sich der Braunschweiger „Remer-Prozess“ zum 60.Mal. Daran wird in Braunschweig in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen (Vorträgen, Tagungen und einer Ausstellung) erinnert werden. Dieser Prozess, der den meisten nicht mal dem Namen nach bekannt ist, wurde von Fritz Bauer erfolgreich geführt. Er wurde bundesweit aufmerksam beobachtet und bewirkte die  Rehabilitation der Männer des 20.Juli. Die Zeitungen berichteten international darüber, eine Folge war, dass ein jüdischer Emigrant in Argentinien davon erfuhr und daraufhin Fritz Bauer anschrieb und ihm den Aufenthaltsort von Eichmann mitteilte. Der Vortrag von Gerd Biegel war nun gewissermaßen die „Auftaktveranstaltung“ für dieses „Jahr des Remer-Prozesses von 1952“, sozusagen die Ouvertüre für eine hoffentlich großartige Sinfonie, wenn man es musikalisch ausdrückt.

Der Vortrag selber gab zunächst einen Überblick über biographische Daten: Bauer war 1903 in einer deutsch-jüdischen Familie in Stuttgart geboren, dort aufgewachsen. Später hatte er Jura in Heidelberg, München und Tübingen studiert, nach 1933 Verhaftung, Aufenthalt im KZ, 1936 dann Emigration nach Dänemark und 1943 weiter nach Schweden.

Schwerpunkte des Vortrages bildete einerseits die Zeit Fritz Bauers in Braunschweig sowie die besonderen Intrigen innerhalb der SPD gegen Bauer, die fast die Bewerbung für Braunschweig verhindert hätten sowie weitere Infos zu Remer und dessen Aktivitäten, die auch später  noch zu mehreren Prozessen wegen Volksverhetzung führten.

- Kurt Heinig, ehemaliger Reichstagsabgeordneter der SPD, intrigierte schon im schwedischen Exil gegen Bauer. Nach dem Krieg schrieb er an Kurt Schumacher Briefe gegen Fritz Bauer, da dieser „Marxist“, „Bolschewist“ und ein „Lump“ sei, außerdem hätte er noch eine solche „Nase“ und zeigte damit offen seinen Antisemitismus. Schumacher wurde durch diese Mitteilungen stark verunsichert, so dass sich die Bewerbung Bauers für Braunschweig verzögerte. Vor allem dank der Unterstützung von Hinrich Wilhelm Kopf, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, und ganz besonders durch den neu ernannten OLG-Senatspräsidenten Bruno Heusinger, der sich ausdrücklich für Bauer einsetzte, konnte Fritz Bauer 1949 dann doch die Stelle als Direktor des Landgerichts in Braunschweig antreten.

- zu Remer: dieser verlor nicht nur den Prozess gegen Bauer 1952, sondern er war auch weiterhin in extremer Weise nationalsozialistisch aktiv und gab noch in den 90iger Jahren die „Remer-Depesche“ heraus, die rassistisch und antisemitisch war, den Holocaust leugnete und dann auch verboten wurde.

- Noch einmal zur SPD: Viele Jahre später (1963) kam es noch einmal zu Spannungen der SPD zu Bauer, und zwar nach einem Interview Bauers mit einer dänischen Zeitung. Bauer hatte hier auf das Erstarken rechtsradikaler Kreise in Würzburg aufmerksam gemacht, und die Zeitung schrieb, nach Bauer würde in Westdeutschland, wenn morgen gewählt könnte, Hitler wieder gewählt werden. Der Bundesvorstand der SPD distanzierte sich dann öffentlich von Bauer, ohne mit ihm vorher Rücksprache zu nehmen.

So war das Verhältnis zeitweise zur SPD nicht einfach. Zunehmend klagte er in den letzten Lebensjahren auch unter einer weiteren „Vereinsamung“. Um so wichtiger sind dann die Personen, auf die sich Bauer verlassen konnte, wie Georg August Zinn (SPD Ministerpräsident in Hessen) und Curt Staff (der erste Generalstaatsanwalt in Braunschweig, der später in Hessen tätig war). Diese Personen trugen auch dazu bei, dass Bauer dann 1956 nach Frankfurt ging. Außerdem konnte er dadurch sein Aufgabengebiet vergrößern, dort hatte er 13 Staatsanwaltschaften unter sich (in Braunschweig dagegen war es nur eine). Gerd Biegel wies nebenher darauf hin, dass bei der Festschrift der Braunschweiger Staatsanwaltschaft Curt Staff überhaupt nicht erwähnt wird, sicherlich eine eigenartige Auslassung dieser auch später noch bedeutenden Person.

Den Vortrag beendete Gerd Biegel mit dem Plädoyer, den Platz vor der Staatsanwaltschaft (gegenüber dem Dom) als Fritz-Bauer-Platz zu benennen. Dieser Ort würde sich anbieten, er sei klar abgegrenzt und außer der Staatsanwaltschaft gäbe es keine weiteren Anlieger. Diese hätte dann die Adresse „Fritz-Bauer-Platz Nr.1“…

Eine großartige und auch machbare  Idee! Vielleicht könnte dann dort auch noch ein Denkmal á la Lessing oder Gauss aufgestellt werden. Es wäre ein würdiger Ort, mit Fritz Bauer als „Hüter“ für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte.

Eine letzte Anmerkung: Der interessante und höchst informative Vortrag wird ins Internet gestellt und abrufbar sein unter youtube (www.youtube.com/user/MrMarxismo.de) sowie auf der Webseite von attac (www.attac.de) und www.bessereweltlinks.de .

U.Dittmann, Braunschweig

 

Meldung aus der Braunschweiger Zeitung vom 23.4.2012:
2. Fritz Bauer Platz wird Wirklichkeit
Der Bezirksrat Innenstadt wird morgen die Weichen für die Bezeichnung eines bedeutenden Platzes nach dem früheren Landgerichtsdirektor und Generalstaatsanwalt Fritz Bauer stellen, der mit dem Remer-Prozess (in Braunschweig) und den Auschwitz-Prozessen (in Frankfurt/ Main) in die Justizgeschichte einging.
Einmütigkeit herrscht darüber, dem Vorschlag zu folgen, einen südlichen Teil des Domplatzes zum Fritz-Bauer-Platz umzubenennen - in direkter Nähe zur Generalstaatsanwaltschaft und zum Landgericht. Dort wirkte Fritz Bauer von 1949 bis 1956. Die Adresse der heutigen Generalstaatsanwaltschaft würde treffenderweise von Domplatz 1 in Fritz-Bauer-Platz 1 geändert.

 

3. Danksagung
Zur Benennung des Fritz Bauer Platzes in Braunschweig am 24.04.2012

Von Anfang an stand wie ein guter Stern über der Sache. Es ging um Fritz Bauer und der Benennung einer Straße/ eines Platzes in Braunschweig nach ihm.
Zuletzt war es so, als wenn die Entscheidung zu einer Platzbenennung nach Fritz Bauer einmütig von allen wichtigen Entscheidungsträgern in der Stadt, von zahlreichen Gruppen Verbänden und vielen Einzelpersonen getragen wurde. Es entstand der Eindruck, als wenn die ganze Stadt hinter dieser Entscheidung stünde, und so war es eigentlich auch

Fritz Bauer hat es verdient. Und das als ein Mensch, der immer wieder angefeindet wurde und der in Frankfurt später einmal gesagt hat:
"Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland..."
Das war während seiner Tätigkeit dort als Generalstaatsanwalt. Aber auch in Braunschweig war es wohl nicht viel anders gewesen. Wenn er heute noch leben würde, könnte er wenigstens in Braunschweig sagen: "Ich bin gern in dieser Stadt. Die Arbeit, die ich mache, wird anerkannt und geschätzt."
Bis es zu dieser Entscheidung kam, hat es etwas gedauert. Es hat eine längere Vorgeschichte, fast drei Jahre Und diese Vorgeschichte ist immer mit einzelnen Menschen verbunden, die dazu etwas beitrugen. Über die ersten Stufen war etwas schon gesagt worden in dem Text "Wie alles anfing..." Hier ein persönlicher Überblick über die wichtigsten Stufen  bis  zur aktuellen Entscheidung - und über die Menschen, die hierzu etwas beigetragen haben.

Stufen des Dankes
Ohne Sigrid Probst, der ehemaligen 2.Bürgermeisterin, und Uwe Meier, der die Webzeitung www.unser-braunschweig.de (jetzt: www.braunschweig-spiegel.de ) herausgab, wäre vielleicht gar nichts entstanden.
Ich selber hatte im Juni 2009 gerade das neue Buch über Fritz Bauer von Irmtrud Wojak ("Fritz Bauer 1903-1968") gelesen, als mir Uwe Meier eine Mail schickte und anfragte, ob ich nicht zu einer problematischen Abschiebung in Wolfenbüttel als amnesty-Mitglied etwas schreiben könne. Ich kannte Uwe Meier damals noch nicht näher, und Sigrid Probst hatte ihn auf mich aufmerksam gemacht. Ich bejahte die Frage und meinte, ich würde auch gern etwas zu Fritz Bauer schreiben. Er kannte ihn zwar nicht, fand die Idee aber gut, nachdem ich es kurz erläutert hatte. Seine Webzeitung war für alle Ideen offen. Im August 2009 erschien dann der erste Aufsatz dort mit dem Titel "Wer war Fritz Bauer? Keiner kennt Fritz Bauer...."
Von nun an erschienen die kleinen Aufsätze von mir über Fritz Bauer in dieser Webzeitung und erreichten dadurch auch einen größeren Leserkreis.

Die Auseinandersetzung mit Sigrid Probst war in dieser Zeit auch anregend und hilfreich. Ihre Sachkenntnis und kritische Anmerkungen wusste ich zu schätzen, wie oft habe ich mich mit einfachen und manchmal auch naiven Fragen an sie wenden können und so mein Bild über Fritz Bauer und seine Einordnung in die Braunschweiger Geschichte ergänzen können. Für mich war es eigentlich Neuland. Als Heilpädagoge und amnesty-Mitglied war ich eher mit internationalen Fragen der Menschrechte bzw. mit Menschenrechtsverletzungen beschäftigt, weniger mit Fragen der NS-Zeit. Sigrid Probst hat mir auch immer wieder Personen nennen können, die bei bestimmten Fragen oder Problemen angesprochen werden könnten.

Sigrid machte mich nun auch auf Helmut Kramer aufmerksam, dem bekannten ehemaligen Richter und großen Fritz-Bauer-Kenner. Ich schickte ihm eine Mail mit dem ersten Aufsatz,  und schon nach kurzer Zeit kam ein Anruf von ihm und die Idee, Irmtrud Wojak zu einem Vortrag nach Braunschweig einzuladen. Er war ganz erfreut an dem neuen Interesse an Fritz Bauer. Wie gesagt, so getan. Im Oktober 2009 hielt Irmtrud Wojak auf seine Einladung hin im Landgericht Braunschweig einen Vortrag über Fritz Bauer - genau in dem Saal, in dem Bauer auch den Remer-Prozess durchgeführt hatte.

In der Zwischenzeit hatte ich einen Brief an die Stadtverwaltung geschrieben mit der Anfrage einer Straßenbenennung nach Fritz Bauer. Die Antwort war am 22.Dezember geschrieben und lag genau am 24.Dezember im Postkasten. Es war für mich wie ein zusätzliches Weihnachtsgeschenk. Die Antwort war zwar allgemein gehalten, aber durchaus freundlich. Und man schien Fritz Bauer dort wenigstens zu kennen.

Eine nächste wichtige Stufe war die Vorführung des Fritz Bauer Filmes "Tod auf Raten" von Ilona Ziok, der im Mai 2010 im Cinemaxx Braunschweig gezeigt wurde. Frau Ziok war selber anwesend und stellte sich mit Herrn Kintzi, dem ehemaligen Generalstaatsanwalt, nach der Filmvorführung dem Publikum der Diskussion zur Verfügung. Ganz am Ende - als alle Zuschauer schon gegangen waren - sprach ich Ilona Ziok an und erwähnte die bisherigen Artikel von mir über Fritz Bauer in der Webzeitung. Sie war begeistert und es entstand sofort ein herzlicher Kontakt und Austausch, der bis heute anhält. Von ihr erhielt ich in Zukunft viele Informationen über Fritz Bauer und viele andere Zusammenhänge, durch die ich mein Bild ergänzen konnte. Und sie setzte die Links zur Braunschweiger Webzeitung auf ihre Homepage des Fritz Bauer Filmes und wies dort auf die Braunschweiger Aktivitäten hin. Damit wurden diese auch jetzt über die Stadtgrenzen hinaus gelesen.

Die Arbeit zu Fritz Bauer ging nun weiter, aber es schien hier doch eher auf einen kleinen Kreis von Interessenten beschränkt zu bleiben...
Bis im April 2011 mir Uwe Meier eine Mail zukommen ließ, in der der Wissenschaftsjournalist der Braunschweiger Zeitung, Henning Noske, auf einen Artikel von ihm in seinem neuen Blog hinwies. Dieser Aufsatz trug den Titel "Warum der große Fritz Bauer in unserer Stadt immer noch keinen Platz hat..."  Zum Ende des Textes wurde auch auf meine Initiative einer Straßenbenennung nach Fritz Bauer hingewiesen. Nun schienen außer Uwe Meier und mir noch eine weitere Person ein größeres Interesse an Fritz Bauer und einer Würdigung von ihm in Braunschweig zu haben. - Noch am selben Abend dachte ich mir, man müsste einen Freundeskreis bilden, um all die Menschen zusammenzubringen, die ein Interesse an Fritz Bauer haben. Und ein "Freundeskreis" müsste es sein, kein einfacher Arbeitskreis. Nach dem Lesen des Buches von Irmtrud Wojak war bei mir der Eindruck entstanden,  als handele es sich bei Fritz Bauer um einen so einsamen Menschen, wie ich es bisher noch nicht erlebt hatte,  trotz aller Geselligkeit, die sie erwähnt. Einer, der für seine Ideen von Gerechtigkeit und Menschenwürde kämpfte und im Grunde gegen eine ganze Gesellschaft, gegen einen Zeitgeist stand. - Die Idee eines "Freundeskreises" war geboren, und als ich am darauf folgenden Wochenende diese Idee beim Treffen unseres kleinen "Bioethik"-Vereines vorstellte, fand es großen Zuspruch, obwohl keiner Fritz Bauer kannte, noch je von ihm gehört hatte. Aber die Idee schien ja gut zu sein.

Maja Richter, ein Mitglied von "Forum Bioethik" bot gleich an, dass in ihrer kleinen St.Elisabeth-Buchhandlung in Braunschweig eine erste Info-Veranstaltung zu Fritz Bauer durchgeführt werden könnte. Veranstalter sollte der "Fritz Bauer Freundeskreis" sein, den es eigentlich noch gar nicht richtig gab. Noch war es erst eine Idee, die viele gut fanden. Im Mai 2011 fand dann die erste Info-Veranstaltung des provisorischen "Fritz-Bauer-Freundeskreis" statt. Dazu mussten auch erste Materialien erstellt werden, da immer davon auszugehen war, dass niemand Fritz Bauer kennen würde. Grundlage dafür waren für mich Infos und Flyer, die ich für die lokale Arbeit von amnesty international erstellt hatte.

Die eigentliche Realisierung des "Freundeskreises" entstand durch etwas anderes: Im Juni hatte mich Ilona Ziok angerufen und darauf hingewiesen, mit Ann Claire Richter von der Braunschweiger Zeitung Kontakt aufzunehmen. Ilona Ziok kannte Frau Richter von mehreren Gesprächen während der Dreharbeiten des Filmes. Frau Richter lud mich nun zu einem Interview über den "Fritz Bauer Freundeskreis" ins Pressehaus ein. Erst war ich noch etwas zurückhaltend, da es ja noch keinen eigentlichen "Freundeskreis" gab - nur eben die Idee und einige Menschen, die es gut fanden. Im Juli kam es dann zu dem Treffen im Pressehaus, und einen Tag später, am 20.Juli, erschien ein halbseitiger Artikel in der BZ mit der Überschrift:
"Freundeskreis für Nazi-Ankläger Fritz Bauer - Udo Dittmann und Gleichgesinnte wollen den ehemaligen Braunschweiger Generalstaatsanwalt in Erinnerung rufen". Schon  am selben Tag kamen mehrere Anrufe und Mails von Menschen, die gern in dem "Freundeskreis" mitarbeiten wollten. Nun stand ich unter Zugzwang. Im Grunde musste jetzt ein richtiges offizielles und öffentliches Treffen des Freundeskreises stattfinden - und nicht nur ein Treffen im kleinen privaten Rahmen. Irgendwie gab es dann so etwas wie eine "normative Kraft des Faktischen"...

Ich schaute mich nach einem Raum um; es gab mehrere Möglichkeiten. Schließlich entschied ich mich für das DGB-Haus, das zentral in der Innenstadt lag und mehrere geeignete Tagungsräume hatte. Und für Fritz Bauer sicher ein geeigneter Platz - als engagierter Sozialdemokrat hätte er sich hier auch wohl gefühlt. Ein erstes Treffen fand dann am 26.September 2011 statt.
Vor diesem ersten Treffen war ich schon nervös: Wer würde überhaupt kommen? Würde es sich lohnen weiterzumachen? Zwar hatte auch Henning Noske von der BZ gesagt, er würde kommen, wenn es zeitlich passte, aber ich erinnere mich noch genau an die skeptischen und kritischen Worte von Sigrid Probst: "Naja, ob Herr Noske überhaupt kommt. Er nimmt doch nur an großen und bedeutenden Veranstaltungen teil..."
Nun, das Treffen verlief gut. Es kamen etwa 10 Personen, und etwas verspätet kam auch Henning Noske, der gleich die Grüße von der Braunschweiger Zeitung und dem Chefradakteur Armin Maus ausrichten ließ. Im Grunde war dies Treffen das eigentliche Gründungstreffen - nach einer "Inkubationszeit" oder einer Art Schwangerschaft von fünf Monaten. Hier wurde auch geregelt, sich fortan alle zwei Monate einmal im DGB-Haus zu treffen.

An diesem Treffen nahm auch eine andere Person teil, die für den "Freundeskreis" in Zukunft wichtig wurde: Hansi Volkmann vom DGB. Er sorgte dafür, dass der DGB von nun an regelmäßig und kostenlos den Raum zur Verfügung stellte. Und er stellte noch einen anderen wichtigen Kontakt her: zu dem Historiker Hans Ulrich Ludewig. Bei dem Treffen hatte man festgestellt, dass zwar allen guten Willens sind, Fritz Bauer bekannter zu machen, dass aber eigentlich keiner eine genaue und fundierte Sachkenntnis vorhanden hatte. Es gab unter den Anwesenden keinen einzigen Juristen oder Historiker. So war es ein wichtiges und besonderes Anliegen des ersten Treffens, Historiker aus der Region anzusprechen, ob sie zu Fritz Bauer arbeiten könnten. Hansi Volkmann wies mich insbesondere auf Hans Ulrich Ludwig vom Historischen Seminar hin und schickte mir in den nächsten Tagen seine Adresse mit Emailangabe.
Ich wandte mich daraufhin an Herrn Ludewig, ob er für den "Freundeskreis" einen Vortrag über Fritz Bauer halten könne. Er sagte spontan zu und wies auch darauf hin, dass sich dafür die Räumlichkeiten des Institutes für braunschweigische Regionalgeschichte von Prof.Biegel eignen würden. Von nun an nahm alles seinen Lauf, und die Dinge gingen wie von selber...

Prof.Biegel und sein Institut sind schon etwas Besonderes. Das Institut ist in der ganzen Region gut bekannt und macht hervorragende Arbeit über Stadtgeschichte - von Heinrich dem Löwen, über die Braunschweiger Herzöge bis zur NS-Geschichte. Das Thema Fritz Bauer war hier in den besten Händen. - Gerd Biegel erwähnte nun, dass er früher schon zwei Mal Vorträge über Fritz Bauer gehalten habe, zu denen aber kaum Zuhörer gekommen seien. Man kannte Fritz Bauer eben nicht. Auch im Jahr 2005, als er für die Braunschweiger Zeitung ein Heft mit den 100 wichtigsten Braunschweigern herausgegeben hatte, erhielt Bauer bei der weiteren Abstimmung nicht eine Stimme. Nun schien sich die Zeit geändert zu haben, ein neues Interesse an Fritz Bauer schien zu bestehen. Und er erklärte sich bereit, die früheren Vorträge noch einmal zu halten. Vielleicht könne man im Frühjahr dann auch eine Tagung zu Fritz Bauer machen...

So gab es Ende 2011 zahlreiche Ideen und Vorhaben zu Fritz Bauer in Braunschweig:
- die Idee eines Vortrages von Prof.Biegel und die Idee einer Tagung zu Fritz Bauer im
   Frühjahr
- die Idee eines Leserforums der Braunschweiger Zeitung zu Fritz Bauer
- die Idee einer Ausstellung zum Remer-.Prozess im Laufe des Jahres
Außerdem bestanden inzwischen Kontakte des "Freundeskreises" zum Fritz Bauer Institut in Frankfurt.

Es musste nun strukturiert werden, und das geschah durch Prof.Biegel - Schritt für Schritt.
Schon am 26.Januar 2012 hielt er seinen Vortrag über Fritz Bauer mit dem Titel "Der streitbare Jurist". Zum Ende des Vortrages eröffnete er seine Idee, den Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft als Fritz Bauer Platz zu benennen. Der derzeitige Generalstaatsanwalt Norbert Wolf war bei dem Vortrag auch zugegen und begrüßte den Vorschlag. Nun schienen die Weichen gestellt.

Etwa 2 Wochen später, am 7.Februar 2012, fand eine wichtige Bezirksratssitzung statt. Es war der Bezirksrat Innenstadt, wo jetzt der Vorschlag einer Platz- bzw. Straßenbenennung eingebracht wurde. Ein wichtiges Gremium! Der Bezirksrat befürwortete den Vorschlag einer Platzbenennung, wobei noch zwei Alternativen erwähnt wurden ((eine kleine Gasse hinter dem Landgericht sowie der große Platz an der Martinikirche vor dem Amtsgericht). Die Mehrheit aber befürwortete den Vorschlag von Herrn Biegel. - Dieser Vorschlag musste nun  in die Verwaltung der Stadt gehen - auch dort fand er Zustimmung, so dass er schließlich wieder als Vorlage in den Bezirksrat Innenstadt kam. Das war am 24.April.
Es schien alles klar. Eine kleine Aufregung gab es dennoch. Zwei Tage vor der wichtigen Abstimmung hatte mich  ein Mitglied des Bezirksrates von der SPD angerufen und gesagt, er sei mit der Vorlage nicht einverstanden, es solle eher der große Platz an der Martinikirche sein, um Fritz Bauer noch mehr zu ehren. Er sei für eine Vertagung des Beschlusses, würde aber gern noch eine Rückmeldung des Freundeskreises hinsichtlich seiner Meinung einholen. Eine Vertagung hätte wieder alles durcheinander gebracht und verzögert. So schickte ich noch eine Mail an alle Mitglieder des Freundeskreises mit der Bitte um Rückmeldung. Die Antwort war eindeutig: alle waren für den Vorschlag von Herrn Biegel. Das gab ich weiter und wartete nun ab. - In der Sitzung des Bezirksrates Innenstadt am 24.04.2012 wurde dann der Vorschlag erwartungsgemäß angenommen: mit 14 Ja-/ 0-Nein Stimmen bei 1 Enthaltung.

Der Fritz Bauer Platz war damit in Braunschweig Wirklichkeit geworden. Das Besondere daran ist, dass das Anliegen von so vielen Seiten getragen und unterstützt wurde. Nach fast 3 Jahren Vorarbeit ist die Idee umgesetzt worden - plötzlich ging alles schnell und (fast) glatt - ein Zeichen, dass die Idee in sich auch stimmig war. Und es ist der Platz, über den Fritz Bauer früher gehen musste, wenn er sein Büro betrat...

Folgende Mail von Halu Sämann, einem Teilnehmer des "Freundeskreises, gibt vielleicht die Stimmung über die positive Entscheidung des Bezirksrates - stellvertretend für viele, sehr schön wieder: "Selten habe ich eine solche Nachricht mit so viel Freude und Genugtuung gelesen....Meine Heimatstadt, die so viele häßliche braune Flecken auf der Weste hat, bekennt sich öffentlich zu Fritz Bauer und seinem Denken und ehrt ihn mit der Benennung eines Fritz-Bauer-Platzes Auch in unserem Kreis habe ich mich vehement für genau diesen Platz eingesetzt, dessen Symbolträchtigkeit gerade als Adresse der Generalsstaatsanwaltschaft Braunschweig überhaupt nicht gesteigert werden kann. Mit großer Genugtuung habe ich damals zur Kenntnis genommen, dass Herr Wolf genau diese Symbolik ausdrücklich begrüßt hat."
An dieser Stelle sei auch allen weiteren Teilnehmern des "Fritz Bauer Freundeskreises" gedankt, die mit ihrem Engagement wesentlich zu diesem Erfolg mit beigetragen haben, von denen ich einige auch hier mit Namen aufführen möchte: Helga Engels, Monika Georgi, Rudolf Hollnagel, Klaus Hoenen, Hedwig Kindel, Dietrich von dem Knesebeck, Pia Kulhawy, Volker Mewes, Eleonore Lierse, Uwe Rosenthal, Halu Sämann, Marie Luise Schulz sowie Sigrid Probst und Hansi Volkmann. - Und natürlich auch  Dank an Prof.Dr.Gerd Biegel und Generalstaatsanwalt Norbert Wolf, die in der letzten wichtigen Phase ganz entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen haben.

Weiterhin  Dank auch an die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die dem "Freundeskreis" ihre Unterstützung zugesagt hat. - Ganz besonders danken möchte ich  Volkmar Deile, dem ehemaligen Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international, der die Aktivitäten des "Freundeskreises" seit Mai 2011 wohlwollend unterstützt und begleitet hat und das Gefühl vermittelte, dass das Anliegen auch ganz dem Geist von amnesty international entspricht. - Schließlich der Dank an Werner Renz vom Fritz Bauer Institut und Brigitte Tilmann vom Förderverein des Fritz Bauer Institutes, die diese Aktivitäten auch mit großem Interesse verfolgt haben. Möge mancher Impuls aus Braunschweig sich dort und an anderen Orten auswirken.

U. Dittmann                                                              
Braunschweig, April 2012

 

4. Die Begründung des Stadtbezirksrates Innenstadt
Die Begründung des Stadtbezirksrates Innenstadt, den Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft  nach Fritz Bauer zu benennen. Die Abstimmung betrug 14 Ja-/ 0 Nein Stimmen bei 1 Enthaltung. Im folgenden der Wortlaut der Begründung durch die Stadt Braunschweig:

In seiner Sitzung am 7.Febraur 2012 hat der StBezR Innenstadt beschlossen, dass für den ehemaligen Braunschweiger Landgerichtsdirektor und Generalstaatsanwalt des Oberlandesgerichts Braunschweig Dr. jur. Fritz Bauer ein angemessener Erinnerungsort geschaffen werden soll. Fritz Bauer hat sich insbesondere mit dem Wirken des nationalsozialistischen Unrechtsstaates auseinandergesetzt. Zur Ehrung von Fritz Bauer besteht bereits eine Persönlichkeitstafel des Braunschweiger Leit- und Informationssystems für Kultur (KLIK) an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Jasperallee 27. Bisher konnte kein angemessener und umsetzbarer Ort für die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Fritz Bauer gefunden werden.
Dieses Jahr jährt sich der von Fritz Bauer geführte 'Remer-Prozess' am Braunschweiger Landgericht zum 60. Mal. Auf Initiative mehrerer Unterstützer einer Straßen- bzw. Platzbenennung nach Fritz Bauer (u.a. Fritz-Bauer-Freundeskreis, Prof. Dr. h.c. Biegel) wurde der Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem Domplatz als Erinnerungsort und Ort für eine Benennung vorgeschlagen.
Der Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft wird eingegrenzt durch die Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft und des Braunschweiger Landgerichts sowie durch den südlichen Teil des Domplatzes. Um eine gute Wahrnehmung und Abgrenzung der Platzfläche zu erreichen, wird vorgeschlagen, den Übergang der Sandsteinplatten und Kleinpflasterbelag als nördliche Platzgrenze zu definieren, im Osten wird der Platz in Verlängerung der Gebäudeseite des Landgerichts, im Westen durch die Widmungsgrenze zur Straße Kleine Burg begrenzt.
Da sich die Platzfläche im Wesentlichen im Eigentum des Landes Niedersachsen befindet, wurde im Vorfeld der möglichen Benennung des Platzes nach Fritz Bauer die Zustimmung des Eigentümers eingeholt. Stellvertretend wurde die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, vertreten durch den Generalstaatsanwalt, zur Benennung des Platzes um Stellungnahme gebeten, insbesondere zur Angemessenheit der vorgeschlagenen Platzfläche und zur erforderlichen Adressänderung der Generalstaatsanwaltschaft. Es wird durch den Generalstaatsanwalt außerordentlich begrüßt, diese Platzbenennung hier an der damaligen Wirkungsstätte von Fritz Bauer umzusetzen. Ebenso wird die durch die Platzbenennung erforderliche Adressänderung der Generalstaatsanwaltschaft von Domplatz 1 in Fritz-Bauer-Platz 1 ausdrücklich befürwortet.
Die Verwaltung schlägt daher vor, den Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft als 'Fritz-Bauer-Platz' zu benennen. Auch der zuständige Heimatpfleger stimmt diesem Vorschlag zu. Ergänzend ist beabsichtigt, auf dem Platz eine weitere Persönlichkeitstafel (BLIK) zu Ehren von Fritz Bauer aufzustellen.

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