Schriftenreihe des "Freundeskreises Fritz Bauer"
Texte über den ehemaligen Generalstaatsanwalt in Braunschweig und Frankfurt am Main
Fritz Bauer (1903- 1968)

Heft 9:

Das große Vergessen

Wie Fritz Bauer nach seinem Tod 1968
schnell vergessen wurde

 

1.  Fritz Bauer und das große Vergessen
   Anmerkungen zu den Trauerreden von D.Hoffmann und R.Kempner hinsichtlich        
    des  Todes von Fritz Bauer im Jahr 1968
2.   Weshalb gerade Fritz Bauer?
3. "Gerichtstag halten über uns selbst..."
    Anmerkungen zu einem Buch über den Auschwitz-Prozess
4.   Fritz Bauer an der IGS Franzsches Feld
     Ein persönliches Projekt von Pia Kulhawy zur Erinnerung an Fritz Bauer

 

 

 

1. Fritz Bauer und das große Vergessen
Anmerkungen zu den Trauerreden von D.Hoffmann und R.Kempner hinsichtlich des Todes von Fritz Bauer im Jahr 1968

Es geht um Fritz Bauer. Wenn man die Reden von dem Juristen Diether Hoffmann und von von Robert M.W.Kempner, dem Stellvertreter des Chefanklägers in den Nürnberger Prozessen, liest, die diese zu seinem Tode 1968 gehalten haben und dann sieht, was daraus geworden ist, erscheint es fast tragisch.

Hoffmann und Kempner kannten Fritz Bauer noch persönlich und waren jeweils über viele Jahre hin mit ihm befreundet. Hoffmann beschreibt in seiner Rede, wie der Einfluss Bauers auf die jüngeren Juristen einzigartig war. "Er verstand es, wie kaum ein anderer, junge Menschen zu begeistern und um sich zu scharen" Hoffmann berichtet, wie er die Schrift von Bauer "Im Kampf um des Menschen Rechte" erworben hat, um sie später seinen Kindern zeigen zu können - und schließt seine Rede mit den Worten, diese Zeilen von Bauer auch "in unseren Kindern lebendig zu machen".

Kempner beginnt seine Rede mit dem 2.Buch Moses, als der Engel des Herrn in einer feurigen Flamme im Dornbusch erscheint: "Und der Herr rief zu Moses aus dem Busch: So gehe nun hin, ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst." Und Kempner vergleicht Fritz Bauer hiermit: "Auch Fritz Bauer war jemand, der durch eine höhere Stimme gelehrt wurde, was er sagen sollte. Er war mehr als ein Reformer, er war mehr als hellhörig, er war prophetisch. Und deshalb, wie man manchen so sagt, 'unbequem'."

Was ist später davon übrig geblieben? Fast nichts. Ein Tiefpunkt war dann später vielleicht die Rede von Herbert Jäger im Jahr 1993: "Der Zeitablauf hat es deutlich gemacht. Die Wirkung Bauers war an seine Person gebunden..." Hier ist nicht mehr viel zu spüren von der besonderen Ausstrahlung Bauers und seiner Ideen, die auch in die Zukunft wirken könnten.

Immerhin ist 1995 in Frankfurt das Fritz Bauer Institut gegründet worden. Aber es hat sich wenig mit seiner Person beschäftigt. Es war ein Forschungs- und Dokumentationszentrum des Holocaust. Fritz Bauer war eher nur ein Namensgeber des Institutes, um seine Person, sein Wirken, seine Ideen und Schriften ging es weniger. Zwar erschien im Jahr 1998 die Sammlung von Aufsätzen mit dem Titel "Die Humanität der Rechtsordnung", die von Joachim Perels und Irmtrud Wojak herausgegeben wurde,, aber auch die ist inzwischen vergriffen und Restexemplare sind nur noch über den Versandhandel des Institutes zu erhalten.

Dann gab es noch den Forschungsauftrag des Institutes, an einer Biographie für Fritz Bauer zu arbeiten. Dies dauerte eine Zeit, es hatte länger als geplant gedauert. Schließlich erschien diese - von Irmtrud Wojak ausgeführt - im Jahr 2009. Es war ein wichtiges und gutes Buch, aber es war eigentlich erst ein Anfang. Darüberhinaus gab es keine Texte oder Bücher von Fritz Bauer, die veröffentlicht wurden. Und eine Gesamtausgabe der Schriften war zwar einmal ins Auge gefasst, aber dann wieder verworfen worden. War Fritz Bauer also doch nicht mehr zeitgemäß? Was bedeutet es, wenn keine Texte, Schriften oder Reden veröffentlicht werden? Ist die Person, sind die Ideen nicht mehr interessant, aktuell?

Vielleicht ändert es sich jetzt. Immerhin bestehen am Institut Überlegungen, einige der Schriften von Fritz Bauer herauszugeben. Da der Schwerpunkt des Institutes aber Holocaust-Forschung ist, besteht die Gefahr, dass nur die Texte von Bauer berücksichtigt werden, die mit der Thematik des Holocausts zusammenhängen. Das wäre schade, da die Ideen von Fritz Bauer viel umfassender sind. Im weiteren ist auch zum ersten Mal in Frankfurt eine Tagung geplant, in der es direkt um Fritz Bauer geht. Auch hier wäre es schön, wenn das ganze Spektrum von ihm erfasst werden könnte. Das Fritz Bauer Institut arbeitet ja eng mit dem Jüdischen Museum in Frankfurt zusammen. Darin liegt eine große Chance. Andererseits liegt darin aber immer wieder eine Gefahr, speziell das Jüdische an Fritz Bauer hervorzuheben. Damit wird man ihm jedoch nicht gerecht. Die jüdische Herkunft von Bauer ist sicherlich wichtig und hat sein Leben maßgeblich geprägt, sein Wirken geht aber weit darüber hinaus.

Auch die Biographie von Irmtrud Wojak lässt letztlich noch viele Fragen offen. Viele Dokumente und vor allem Zeitzeugen sind gar nicht berücksichtigt worden. So wird letztlich in dem Buch der Eindruck vermittelt, als handele es sich zwar um einen geselligen, aber im Grunde isolierten, einsamen Mann, der kaum Bekannte oder Freunde hatte, die sich zu ihm äußern würden. Tatsächlich gibt es allein in Braunschweig auch jetzt noch lebende Zeitzeugen, die Frau Wojak nicht kennen gelernt hat und so auch nicht in ihrem Buch erwähnt. So gibt es zahlreiche Briefe, Postkarten, Fotos von ihm, die noch nicht ausgewertet wurden. Ein sehr schöner und herzlicher Kontakt zum Beispiel bestand in Braunschweig zu der Familie Ausmeier, zu der er durch die SPD freundschaftlich verbunden war. Er nahm großen Anteil an der Geburt ihres Sohnes und schickte ihm später aus seinen Urlaubsorten in Italien und den USA schöne Karten, in denen seine Verbundenheit und Anteilnahme am Werdegang des jungen Menschen zum Ausdruck kam. Leider sind solche Zeugnisse in dem Buch von Irmtrud Wojak nicht zu finden. Oder auch Frau Deichmann, eine rüstige alte Dame von 93 Jahren, die in Braunschweig in einem Altersheim lebt. Sie war damals in der ganzen Braunschweiger Zeit von Fritz Bauer seine Vorzimmerdame und hat viele seiner Prozesse noch direkt miterlebt.

Weiterhin gibt es viele weitere Unterlagen wie Prozessakten, Randnotizen usw., die ebenfalls noch nicht ausgewertet wurden. Auch hier gibt es noch vieles zu erforschen. Vielleicht gibt es einmal noch Bücher zu Fritz Bauer, die diese Lücken schließen. Zum einen aus einem rein historischen Interesse. Darüberhinaus aber auch als Interesse an seinem Impuls, wie es 1968 bei Diether Hoffmann und Robert Kempner anklang. Wie hieß es dort noch? "... Er war mehr als hellhörig, er war prophetisch..."

Vielleicht kann das, was Menschen 1968 über ihn empfunden haben, wieder neue Kraft erhalten. Auch, indem wieder neue Schriften von ihm veröffentlicht werden, möglicherweise auch mit Übersetzungen in andere Sprachen. Ein Interesse außerhalb des deutschen Sprachraums kann durchaus bestehen, wie auch das Fritz Bauer Institut feststellt, da z.B. die lateinamerikanischen Staaten mit dem Problem der gerichtlichen Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit ähnliche Erfahrungen haben wie Deutschland. Außerdem gab es wie in Argentinien mit Eichmann zahlreiche NS-Täter, die dort untergetaucht waren.

Und von dem Fritz Bauer Film "Tod auf Raten" gibt es inzwischen eine russische und polnische Übersetzung. Eine englische Übersetzung ist geplant. Wenn der Film in England gezeigt wird, wäre ein Buch mit Hinweisen auf Bauer sicherlich sinnvoll. Auch dürfte ein Interesse im Ausland wegen seiner markanten Person durchaus bestehen - man muss ihn nur näher kennenlernen.

U.Dittmann

 

2. Weshalb gerade Fritz Bauer?

Vor dieser Frage stand anfangs eine andere Frage, und zwar: Wer war Fritz Bauer überhaupt? Ich hatte den Eindruck, als wenn ihn fast niemand kennen würde. Daher am Anfang auch ein  Text mit diesem Titel. Da ihn – auch trotz des Filmes von Ilona Ziok – viele Personen Fritz Bauer noch nicht kennen, hier nur einige Angaben zur Person in Kürze, bevor ich zur 2. Frage komme:

Fritz Bauer wurde 1903 in Stuttgart geboren, war nach dem Krieg Generalstaatsanwalt zunächst in Braunschweig und ab 1956 in Frankfurt, wo er dann 1968 plötzlich starb. Dann geriet er in Vergessenheit. Zwar wurde 1995 das Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main gegründet, aber erst durch die Biographie von Irmtrud Wojak (2009) und den Fritz Bauer Film „Tod auf Raten“ von Ilona Ziok (2010) wurde Fritz Bauer langsam wiederentdeckt. Es lohnt sich, immerhin hatte er ja entscheidend dafür gesorgt, dass Adolf Eichmann in Argentinien  1960 gefasst und dass 1963-65 der Auschwitz-Prozess durchgeführt wurde.

Aber nun zur eigentlichen Frage: Weshalb die Beschäftigung gerade mit Fritz Bauer? Was ist das Besondere an ihm?

Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen und insbesondere auch des Holocausts ist eine wichtige Angelegenheit. Daran war er beteiligt, aber sein Wirken und sein Impuls geht weit darüber hinaus.  Und es ist insbesondere die Art, wie er gehandelt hat, was Menschen faszinieren kann, gerade auch junge Menschen, die von ihm hören. Dass er sich für Aufarbeitung von Verbrechen eingesetzt hat, und zwar gegen alle Widerstände, mit denen er zu tun hatte. Es ist sein enormes Gerechtigkeitsempfinden, sich für Schwache, Unterlegene und Opfer einzusetzen.

So etwas ist selten in der deutschen Geschichte. In der englischen Geschichte ist das anders. Da gab es schon 1215 den Aufstand der Barone und die Magna Charta, und in der Literatur findet sich eine Person wie Robin Hood, der sich als Geächteter gegen die Reichen stellt und versucht, für Gerechtigkeit, für die Armen und Schwachen in der Gesellschaft zu kämpfen.

Zwar macht auch Fritz Bauer schon darauf aufmerksam, dass es etwas zeitgleich zur Magna in Deutschland den „Sachsenspiegel“ von Eike von Repgow (1215) gab, in dem das Widerstandsrecht gegen einen ungerechten Herrscher begründet wurde, aber in der konkreten deutschen Geschichte und Literatur finden sich dafür kaum Beispiele (Schiller mit seinem „Wilhelm Tell“ ist eine der wenigen Ausnahmen). Und in der Literatur, insbesondere in Büchern für Kinder und Jugendliche, gab es in Deutschland nichts Vergleichbares zu Robin Hood. Hier gab es Geschichten wie „Die Schildbürger“, „Die sieben Schwaben“, „Till Eulenspiegel“ oder „Münchhausen“, aber z.B. keine Geschichten, in denen schon Kinder sich mit Fragen der Gerechtigkeit und der Freiheit – in kindgerechter Form - auseinandersetzen konnten. Nur in den Grimmschen Märchen findet man oft den Sieg des „Guten“ und ein Umgehen mit moralischen Fragen, wenn auch diese manchmal wegen ihrer Heftigkeit heute kritisiert werden. Aber es geht eben um die Frage der Ausbildung eines moralischen Empfindens. Bei Fritz Bauer war es die Mutter, die ihm einen wichtigen moralischen Satz vermittelte, der sein ganzes Leben immer wieder durchzog. Auf die Frage „Was ist Gott“ hatte die Mutter gesagt, sie könne darauf keine Antwort geben, aber sie gab ihm den Satz mit: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern Menschen zu“. 

Menschen, die in der deutschen Geschichte für Freiheit und Gerechtigkeit eintraten, sind selten. Eine Person wie Martin Luther ist hier eher ambivalent und tragisch. Er markiert mit seinem Handeln einen wichtigen welthistorischen Einschnitt, indem er sich auf das Gewissen berief, wobei es ihm gelingt, die europäische Christenheit von der Bevormundung des Papstes zu befreien. Er spricht auch von der Freiheit eines Christenmenschen. Dann aber wendet er sich angesichts der Gewalt im Bauernkrieg (1524/25) gegen die Aufständischen und später kommen noch seine Ausfälle gegen Juden und Behinderte dazu. Sein Impuls ist bedeutsam, aber insgesamt hat es keinen allgemeinen menschlichen Charakter. (Sehr im Unterschied zu Franz von Assisi, der ungefähr 300 Jahre vorher einen sehr menschheitlichen Ansatz gehabt hat). Hätte Luther die Gewissensfreiheit auf alle bezogen, so hätte große Weisheit in seinem Impuls gelegen, so war es „nur“ ein bedeutender welthistorischer Einschnitt.

Später dann finden sich bei Lessing und Schiller die Fragen wieder, die mit Toleranz, Widerstandsrecht und Menschenwürde zusammenhängen. Bei Goethe findet sich diese Frage weniger, seine Stärken liegen eher in anderen Bereichen, in der Literatur, Dichtung, in der Farben- und Metamorphosenlehre.

Bei Fritz Bauer spielen nun diese Fragen wieder eine zentrale Rolle. Er setzt sich für Menschenrechte und Menschenwürde ein und bringt dies in seiner autobiographischen Schrift von 1955 „Im Kampf um des Menschen Rechte“ zum Ausdruck. Und das Besondere an ihm ist eben die Art, wie er es umsetzt, gegen alle Widerstände und mit einer Hartnäckigkeit, Ausdauer und Geduld, die einfach beeindruckend ist. Es ist ein Appell – insbesondere auch an junge Menschen – nicht aufzugeben, wenn es um Gerechtigkeit und Menschenwürde geht.

Die Beschäftigung mit NS-Verbrechen und dem Holocaust ist etwas Geschichtliches. Hier wird etwas behandelt oder auch erforscht, was zu den großen Verbrechen der Menschheitsgeschichte gehört. Es ist wichtig, dieses zu tun und auch daraus zu lernen.

Die Beschäftigung mit Fritz Bauer weist in die Zukunft: als eine Person, die sich für die Aufarbeitung von Verbrechen einsetzt, gegen Straflosigkeit eintritt, als eine Person, die durch sein Engagement Mut macht und Vorbild sein kann. Das ist das Besondere an ihm, gegen Widerstände, Verharmlosung und Vergessen.

Insofern ist es auch interessant, noch einmal den Blick nach England zu werfen, als etwa zeitgleich zu dem Wirken von Fritz Bauer in England „amnesty international“ 1961 entstand. Peter Benenson, einer der Begründer, war auch Jurist. Er hatte während des 2.Weltkrieges für die Unterstützung jüdischer Kinder in Nazi-Deutschland gesorgt und später, 1961, den Aufruf in der Londoner Tageszeitung „The Observer“ gestartet und sich für die Freilassung gewaltloser politischer Häftlinge eingesetzt. Daraus war ein Netzwerk von Menschen entstanden, die sich für Menschenrechte weltweit einsetzten.

Fritz Bauer kannte amnesty international und nahm angesichts eines Symposiums von ai zur „Spiegelaffäre“ schriftlich Stellung zur Frage der Pressefreiheit. Aber in Deutschland waren die Probleme insgesamt ganz anderer Art. Durch die Verbrechen der NS-Zeit bestand hier vorrangig die Notwendigkeit, diese aufzuarbeiten. Und hier wählte Fritz Bauer einen universellen Ansatz, indem er sich auf die „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezog (wie sie im Kontrollratsgesetz Nr.10 vorlagen). Das brachte ihm zusätzlich Kritik und Widerstände innerhalb der Justiz ein.

Gerade die Art, wie er sein Handeln umsetzte, ist in Deutschland eher ungewöhnlich. Vielleicht mag es noch andere Personen in der deutschen Geschichte geben, die sich auch durch solchen Mut und solche Tatkraft auszeichneten. Fritz Bauer ist jedoch hier in besonderer Weise zu nennen. Sein Beispiel gibt Mut – auch für die Zukunft, wenn auch durch seinen plötzlichen Tod im Jahr 1968 vieles unvollendet blieb.
U.D.
Erst wenn ein Mensch vergessen ist, stirbt er.

Über das Buch: "Gerichtstag halten über uns selbst ...."
                           Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses.
                            Jahrbuch 2001 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust.
                            Fritz Bauer Institut (Hg), Frankfurt 2001

 

3. "Gerichtstag halten über uns selbst..."
Ich hatte mich gewundert, als ich das Buch "Gerichtstag halten über uns selbst...." gelesen hatte, das von Irmtrud Wojak im Auftrag des Fritz Bauer Institutes herausgegeben wurde. Es sollte die Geschichte und Wirkung des ersten Auschwitz-Prozesses behandeln, und zahlreiche Autoren äußern sich zu dem Thema.

Gewundert hatte ich mich darüber, dass in dem ganzen Buch Fritz Bauer fast gar nicht vorkommt. In einigen Texten ist er kurz erwähnt. Eigentlich hätte man annehmen können, dass Fritz Bauer hierbei eine große Rolle gespielt hat, obwohl er selbst nicht als Ankläger auftrat. Aber er hat den Prozess wesentlich in Gang gebracht, Vorermittlungen durchgeführt und den Prozess auch in Kommentaren begleitet. Weshalb gibt es in dem ganzen Buch nicht einen Beitrag dazu?

Das Motto des Buches "Gerichtstag halten über uns selbst..." stammt selbst von Fritz Bauer. Es ist erschienen in einem Beitrag von ihm in der Frankfurter Rundschau im Jahr 1964. Nun könnte man denken, dass gerade angesichts des Titels auch Fritz Bauer in dem Buch eine größere Rolle spielen würde - im Gegenteil. Nach dem Lesen des Buches erfährt man viel über den Auschwitz- Prozess, aber kaum etwas über Bauer.

So mag es kein Wunder sein, dass Fritz Bauer selber immer mehr in Vergessenheit geraten ist.
Möge ihm nicht dasselbe widerfahren, wenn im kommenden Jahr 2013 im Gedenken an die 50jährige Wiederkehr des Auschwitz-Prozesses eine Tagung und eine Ausstellung stattfinden wird, ohne dass Fritz Bauer dabei entsprechend gewürdigt wird. Nach dem Lesen des genannten Buches über den ersten Auschwitz-Prozess wäre das durchaus möglich und nicht abwegig - so bedauerlich es wäre.

Der Auschwitz-Prozess ist ohne Fritz Bauer gar nicht zu denken. Es ist sein Verdienst, dass er überhaupt zustande gekommen ist. Das sollte auch entsprechend dargestellt und gewürdigt werden.

Zum Gedenken an den Geburtstag von Anne Frank schrieb Fritz Bauer 1963. "Solange eines Menschen gedacht wird, ist er nicht tot." Fritz Bauer ist aber genau dies geschehen - sein Name lebt zwar, aber seine Ideen und sein Handeln sind in Vergessenheit geraten.

Möge man im Gedenkjahr des Auschwitz-Prozess daran denken, dass Fritz Bauer es war, der den Prozess bewirkt hat. Und dass nur durch solche Menschen Wahrheit und Gerechtigkeit in einer Gesellschaft eine Chance haben.

Der Auschwitz- Prozess ist mehr als nur ein einfacher Prozess. Es ist der Ausdruck für den Versuch eines Menschen, nicht nachzugeben im Streben nach Gerechtigkeit. Nur durch solche Menschen wird sich eine Gesellschaft positiv und demokratisch entwickeln. Auch das ist das Besondere am Auschwitz-Prozess, und dafür steht Fritz Bauer.                              

U.D.                                                                                                         

 

4. Fritz Bauer an der IGS Franzsches Feld
Über ein Schüler-Projekt an einer Braunschweiger Schule

Vielleicht zum ersten Mal wurde Fritz Bauer das Thema an einer Schule – als Hausarbeit der Schülerin Pia Kulhawy. In einer Aktion über mehrere Tage bemalte sie den Schulhof mit seinem Namen, heftete Zettel in Flure, Toiletten, in Klassen- und Lehrerzimmer – immer mit der Frage: „Wer war Fritz Bauer?“ Eigentlich kannte ihn an der ganzen Schule fast niemand.

Nun – Fritz Bauer wird ja erst seit kurzem wiederentdeckt, eigentlich erst seit der Biographie von Irmtrud Wojak (2009) und dem Fritz Bauer Film „Tod auf Raten“ von Ilona Ziok, der im Jahr 2010 erfolgreich auf der Berlinale vorgestellt wurde.

So ist es zunächst kein Wunder, dass kaum jemand von den Schülern und Eltern und nur einige wenige Lehrer von ihm etwas gehört hatten. Aber jetzt ist es einer Schülerin gelungen, eine ganze Schule darauf aufmerksam zu machen. Wie das gelang, soll jetzt berichtet werden.

Zunächst aber noch einige Worte zu der Schule. Die IGS Franzsches Feld gehört zu einer der besten Schulen in Deutschland. Im Jahre 2006 war sie Preisträger des Deutschen Schulpreises. Es ist schön, dass gerade an einer solchen Schule ein solches Projekt durchgeführt wurde.
Weitere Informationen dazu auf der Webseite www.braunschweig-spiegel.de

U. Dittmann, Braunschweig

 

Persönliches Projekt:  „Kampagne zu Fritz Bauer“

von Pia Kulhawy

IGS Franzsches Feld
Schuljahr 2011/2012

I. Die Idee:
Ich möchte , dass der leider unbekannte Fritz Bauer, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sie NS-Verbrechen in Deutschland aufgearbeitet wurde und unter anderem Eichmann, Mengele und Bormann verfolgt hat, in das Bewusstsein der Oberstufen-SchülerInnen des IGS FF rückt.

II. Die Planung:
Dazu habe ich mir überlegt, viele Flyer und Zettel mit einem Bild Fritz Bauers sowie der Unterschrift „Wer war Fritz Bauer?“ im kompletten Oberstufen-Flur aufzuhängen – überall soll man über den Namen dieses Mannes „stolpern“.
Anschließend werde ich insgesamt 12 Schüler und Schülerinnen sowie einige LehrerInnen der Oberstufe fragen, „ob“ und wenn ja „wodurch“ sie Fritz Bauer kennen. Dazu erscheint es mir am sinnvollsten, aus jeder Klasse (11.1 – 13.4) eine Person zu befragen und aus jedem Jahrgang ja 2 Jungen sowie 2 Mädchen für die Umfrage auszuwählen. Hierbei hoffe ich natürlich, dass so viel Personen wie möglich durch die Kampagne auf Fritz Bauer aufmerksam wurden und definitiv wissen, um wen es sich handelt.

III. Die Recherche:
Für das Projekt trete ich offiziell dem „Fritz Bauer Freundeskreis“ bei und werde deren Planungstreffen besuchen.
Außerdem besorge ich mir Literatur und Filme, um mich genauer zu informieren.

IV. Das Material:

  1. Film: „Fritz Bauer- Tod auf Raten“
  2. Film: „Eichmann“ – Doku mit nachgespielten Szenen, PIPER
  3. Spielfilm: „Eichmann“ mit Thomas Kretschmann und Franka Potente
  4. Buch: „Fritz Bauer – eine Biographie“ von Irmtrut Wojak
  5. geschenktes und geliehenes Material des „Fritz-Bauer-Freundeskreises“
  6. Internet

V. Anmerkung:
Ich selbst habe erstmalig durch meine Mutter von Fritz Bauer erfahren, die schon vor langer Zeit von ihm gelesen hatte. Durch Zufall sah ich die oben genannte Doku im Fernsehen auf arte und besuchte vor ca. einem halben Jahr eine Kinovorstellung im C1 im Rahmen des Filmfestivals, bei dem der Film „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ gezeigt wurde.
Schon damals wollte ich dem „Freundeskreis“ beitreten, habe aber erst jetzt „die Gelegenheit genutzt“. Am 28.11.2011 habe ich dann an einem Treffen des Freundeskreises teilgenommen und dazu ein kleines Protokoll angefertigt.

VI. Ausführung des Projekts

Zeitraum: vom 04.-10.01.2012
Ort:           IGS Franzsches Feld

Mi, 04.01.   abends
Ich habe mit Hilfe einer Freundin den Schulhof mit Straßenmalkreide beschrieben.
Slogan: „Wer war Fritz Bauer?“/ „Fritz Bauer“
- Pünktlich zum 1.Schultag im neuen Jahr sollen Aufmerksamkeit und Interesse an Fritz Bauer geweckt werden.
Problem: Regen! – Am 05.01. war nichts mehr zu sehen.

Do, 05.01.    nach der Schule
Mit Hilfe einer anderen Freundin habe ich den Oberstufen-Flur mit in den Ferien entworfenen Plakaten in verschiedenen Varianten beklebt (Orte: Flur, Klassenzimmer, Toiletten, Tafelanschriebe…)

Mo, 09.01   nach der Schule
Mit Hilfe eines Freundes habe ich weitere Teile des Oberstufen-Flures „tapeziert“ (Lehrerzimmer !, Cafeteria, Klassenräume 11+12).

Di, 10.01.   abends
Erneuter Versuch, den Schulhof zu bemalen – Wetterbericht verspricht regenfreie Nacht
Problem: reger Betrieb

  1. Elternabend einer 11.Klasse
  2. Informationsabend für alle Oberstufen-Interessenten (z.B. Eltern der jetzigen 10.Klassen) in Mensa
  3. Musical-Probe
  4. Segelkurs für ältere Herren
  5. Fr.Sekula + kleine Gruppe
  6. interessierte Nachbarn

Die ursprünglich als „Nacht- und Nebel-Aktion“ erfreut sich großem Interesse
Positiv:

  1. weitere Interessierte, die eigentlich nichts von der Aktion mitbekommen hätten (z.B. Gruppe des Segelkurses gibt Maltipps, Ratschläge für interessante Literatur und fachsimpelt über Fritz Bauer)

Negativ:
Geheimhaltung des Projekts wird erschwert; 2 Musical-Darsteller aus 13 sowie einige Lehrkräfte, die die Plakate von Fritz Bauer sahen, wissen um deren Herkunft.

 

VII. Beurteilung und Reflexion über das Fritz-Bauer-Projekt
Da ich durch die Kampagnen zum „Volksbegehren für gute Schulen in Niedersachsen“ schon etwas mit dem Organisieren und den Reaktionen der Zielpersonen vertraut war, war ich sicher, einen ähnlichen Verlauf erwarten zu können. Beim Volksbegehren liefen die Projekte eher schleppend; Interesse regte sich nur wenig. Wider Erwarten erfreute sich Fritz Bauer jedoch großer Aufmerksamkeit.
Schon am 1.Tag nach der Umgestaltung des Oberstufen-Flures wurde sowohl während meines Religions-Kurses in der 1. und 2.Stunde als auch anschließend in der Pause und den darauf folgenden Stunden viel über Fritz Bauer geredet und das Projekt hinterfragt.
Die Tage darauf verliefen ähnlich und mit zunehmender Plakatierung stieg auch das Interesse bei den Schülerinnen und Schülern. In drei Kursen wurde das Thema „Fritz Bauer“ darauf sogar während des Unterrichtes behandelt, wobei der Schwerpunkt besonders auf dem „Remer-Prozess“ lag.
Ich hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass das Projekt so gut und gezielt „einschlagen“ würde und sich tatsächlich so viele Leute  (Schüler und Lehrer) die Frage stellten: „Wer war denn jetzt eigentlich dieser Fritz Bauer?“

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