2013 - Fritz Bauer Jahr

Fritz Bauer und der Auschwitz-Prozess 1963

Eigentlich könnte das Jahr 2013 ein Fritz Bauer Jahr sein. Immerhin jährt sich zum 50.Male der Auschwitz-Prozess, den Fritz Bauer wesentlich in Gang gesetzt hat.

Aber vielleicht wird das Thema Auschwitz in diesem Jahr auch überlagert von einem anderen Thema: der Aufarbeitung der NS-"Euthanasie". Hier besteht sicherlich ein großer Nachholbedarf.

Das Jahr 2012 stand in Hinblick auf Fritz Bauer ganz im Zeichen des Remer-Prozesses von 1952 und dessen Erinnerung. Zahlreiche Veranstaltungen in Braunschweig, in der auch der Prozess stattgefunden hatte, beschäftigten sich damit. Im Juni 2012 gab es dazu ein Symposium über "Fritz Bauer und den Remer-Prozess 1952". Am 16.Juli, dem Geburtstag von Bauer, fand eine große Ausstellungseröffnung dazu im Landgericht Braunschweig statt, das unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Justizministers Busemann stand. Schließlich wurde am 11.September offiziell der Fritz-Bauer-Platz vor der Generalstaatsanwaltschaft durch Oberbürgermeister Gerd Hoffmann eingeweiht.

Wird aus dem "Auschwitz-Jahr" ein Jahr über "Fritz Bauer und die Euthanasie"?
Und 2013? Sicher wird es in Frankfurt einige Veranstaltungen zum Auschwitz-Prozess geben. Eine Ausstellung dazu war ursprünglich auch geplant, nun wird sie wohl aber erst 2014 unter dem Schwerpunkt "Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte" gezeigt.

Aber außer dem Auschwitz-Prozess hatte Fritz Bauer etwa zeitgleich die Ermittlungen zur NS-"Euthanasie" in Gang gesetzt. Ein Jahr vor dem Auschwitz-Prozess war 1962 die Anklageschrift "Euthanasie vor Gericht" von der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft herausgegeben worden. Die später folgenden Prozesse wurden kaum beachtet, vieles verlief nach dem Tod von Fritz Bauer auch im Sande. Immerhin wurde 2005 die Anklageschrift, die schon fast in Vergessenheit geraten war, wieder in einem Berliner Verlag neu herausgegeben.

Das Problem der NS-'Euthanasie": Die Scham und das Schweigen der Angehörigen
Vielleicht tut sich jetzt wieder einiges. Das Thema der NS-"Euthanasie" wurde jahre-, eigentlich jahrzehntelang vernachlässigt. Auffällig ist dabei besonders das Schweigen der Angehörigen - ganz anders als bei den Opfern des Holocaust und ihrer Angehörigen. Es gab eine merkwürdige Scham, die in den Familien herrschte und oft zur Sprachlosigkeit führte. Erst jetzt erscheinen häufiger Bücher auch von Angehörigen mit Berichten über die Vernichtung ihrer Verwandten und ihrer Vorgeschichte. Auch die Forschung widmet sich jetzt etwas stärker dem Thema, verbunden auch mit dem Entstehen neuer Gedenkorte und Gedenkstätten. Manches ist aber noch überfällig.

Vielleicht können die Erinnerungen an Fritz Bauer und seine damaligen Ermittlungen zur Euthanasie eine weitere Dynamik in das Thema bringen. Auch um die Scham und Sprachlosigkeit bei vielen Angehörigen zu überwinden.- Darüberhinaus ist es ein Thema, das in das Zentrum nationalsozialistischer Weltanschauung führt: die Reinigung des deutschen Volkskörpers von unerwünschten Elementen. Antisemitismus und Rassenhass waren die eine Seite - die Ausgrenzung und spätere Vernichtung sozial unerwünschter Personen und Erbkranker die andere Seite.

Mit beiden Seiten dieser Ausgrenzungsideologie hat sich Fritz Bauer beschäftigt. Ihm war es ein Anliegen, die Straflosigkeit dabei zu überwinden und die Täter vor Gericht zu stellen. In Hinblick auf den Holocaust und der Vernichtung jüdischer Personen konnte er wenigstens durch den Auschwitz-Prozess diese Untaten und das System der Vernichtung ins öffentliche Bewusstsein bringen. Im Falle der Euthanasie kam es nicht mehr dazu - nicht zuletzt durch seinen plötzlichen Tod 1968.

Vielleicht erfolgt in diesem Jahr durch die Erinnerung an Fritz Bauer eine Neubesinnung - und vielleicht wird so das Jahr 2013 ein Jahr über "Fritz Bauer und die Ermittlungen zur NS-Euthanasie".  Durch die internationale Konferenz zur " NS-'Euthanasie' in der europäischen Perspektive" in Berlin vom 28.-30.Januar 2013 kündigte sich das neue Thema schon an. Noch waren dort Fragen der juristischen Aufarbeitung und Fritz Bauer kein Thema. Das Gedenken an die Opfer, ein Schülerwettbewerb zur T4-Aktion sowie ein Gestaltungswettbewerb zu einem neuen T4-Denkmal in der Tiergartenstraße in Berlin standen hier im Vordergrund. Die anderen Fragestellungen aber drängen: Was wurde aus den Tätern? Wie konnte es sein, dass viele der NS-'Euthanasie"-Täter später nicht belangt wurden, sondern dass sie weiter normal als Ärzte, als Juristen tätig sein konnten. Viele Fragen sind noch offen. Vielleicht leistet das Jahr 2013 einen Beitrag zur Aufarbeitung und Klärung dieser Fragen.

Eine weitere besondere Aufgabe wäre es, diese Fragen auch endlich ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. In einer Zeit der Inklusion sollten auch diese Fragen behandelt werden. Denn Fragen der Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten sind auch heute noch aktuell.

Letztlich reicht es nicht nur, an die Verbrechen der NS-"Euthanasie" zu erinnern. Es gibt die Frage, wie auch später mit diesem Thema umgegangen wurde. Nach Fritz Bauer hat Ernst Klee mit seinen Büchern einen wichtigen Beitrag dazu geleistet. Das sind Grundlagen, auf denen weiterhin aufgebaut werden kann. Und Götz Aly ist in diesem Zusammenhang zu nennen, der gerade wieder ein aktuelles Buch zur NS-"Euthanasie" herausgegeben hat, auch wenn er als Autor teilweise umstritten ist. (Götz Aly: Die Belasteten. "Euthanasie" 1939-1949. Eine Gesellschaftsgeschichte. Frankfurt/ M. 2013). Immer wieder aber hat er auch interessante Anstöße gegeben.

U.D. (März 2013)

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