Der private Fritz Bauer

Erinnerungen von Rosemarie Ausmeier an Fritz Bauer

Rosemarie Ausmeier hatte Fritz Bauer 1955 zum ersten Mal mit ihrem Mann Fritz Bauer in seiner Wohnung in der Jasperallee 27 besucht - kurz bevor ihr Sohn Tyll geboren wurde. Sie kann sich noch gut daran erinnern. Sie war schwanger gewesen und hatte sich während des Besuches wegen einer Übelkeit übergeben müssen, was ihr sehr peinlich gewesen war. Trotzdem hatte sie den Besuch noch in guter Erinnerung.

Später war sie noch mehrere Male mit ihrem Mann dort eingeladen gewesen. Besonders war ihr die Küche in Erinnerung geblieben, die eigentlich gar nicht wie eine richtige Küche aussah. Sie glaubt nicht, dass Bauer dort auch nur einmal gekocht hat, höchstens Kaffee gemacht hat. Die Küche sah eher aus wie ein Ausstellungsraum, mit  Plakaten und Kunstbildern an der Wand.

Sie wusste, dass Bauer erst später in diese Wohnung eingezogen war. Als Bauer 1949 nach Braunschweig kam, wohnte er zunächst in der Adolfstraße 46, und zwar zur Untermiete bei Familie Hallermann. Herr Hallermann war am Gericht tätig. Die Häuser in der Adolfstraße waren aus der Gründerzeit, um 1910 gebaut, sehr geräumig und vom Krieg kaum zerstört. Auch lag die Adolfstraße sehr zentral.  Hallermanns hatten eine Tochter, die heute noch in Braunschweig lebt. Vielleicht kann sie sich noch etwas an Bauer erinnern.
         
             Adolfstraße 46                                                                    Jasperallee 27
    Erste Wohnung von Bauer (als Untermieter)               Zweite Wohnung von Bauer

Das Haus in der Jasperallee, in das Bauer später einzog, war im Krieg zerstört worden und wurde neu aufgebaut. Als das Haus bezugsfertig war, konnte Bauer dort einziehen. In welchem Jahr das genau war, wusste Frau Ausmeier nicht mehr genau. Die Wohnung in der Adolfstraße hatte sie nicht mehr kennengelernt. - Irmtrud Wojak erwähnt in ihrer Bauer-Biographie nur die Adolfstraße 46, da Fritz Bauer hier nach den Unterlagen zuerst gemeldet war. Vor dem Haus in der Jasperallee hat die Stadt Braunschweig später die Gedenktafel für Fritz Bauer aufgestellt, die heute noch dort zu sehen ist.

Frau Ausmeier selber war Schauspielerin, 1928 geboren.. Oft spielte sie Stücke in der "Brücke", einer großen Villa mit einer Bühne. Bauer war dort auch häufiger Gast. Er liebte das Theater. Von der Adolfstraße und auch später von der Jasperallee war es gut zu Fuß zu erreichen, wie auch andere Orte in der Innenstadt.  Bauer ging gern zu Fuß. Mit einem Auto hatte Frau Ausmeier Fritz Bauer nie erlebt; sie weiß auch nicht, ob er überhaupt einen Dienstwagen hatte.

Rosemarie Ausmeier war Ende 1944 nach Braunschweig gekommen - nach dem großen Bombenangriff auf die Stadt am 14./15. Oktober, bei dem die Innenstadt fast völlig zerstört wurde. Einige Jahre später lernte sie hier ihren Mann, Peter Ausmeier, kennen, der als Journalist tätig war, zunächst bei der "Braunschweiger Presse" (einem Ableger der "Hannoverschen Presse", die der SPD nahestand) und später bei der Braunschweiger Zeitung. Er berichtete 1950 auch über den "Klagges-Prozess", einem der großen NS-Prozesse nach dem Krieg in Braunschweig. Klagges war NS-Ministerpräsident im Freistaat Braunschweig ab 1933 und für den besonderen Terror in Braunschweig verantwortlich gewesen. Peter Ausmeier hatte dazu ein Buch mit dem Titel "Klagges - Verbrecher im Hintergrund" geschrieben.

Durch die journalistische Tätigkeit hatte Peter Ausmeier auch Fritz Bauer kennengelernt, und es entwickelte sich bald ein freundschaftlicher Kontakt. Bauer war ein geselliger und umgänglicher Mensch. Allerdings hatte ihn Peter Ausmeier kaum in Cafés oder Kneipen gesehen. Treffpunkte für linke Intellektuelle oder Künstler waren verschiedene Orte, zum Beispiel der "Strohhalm", ein Café in der Marienstraße nahe dem Prinzenpark. Hier war Bauer aber nicht anzutreffen.

Ein anderer Treffpunkt war das "Volksfreundhaus" in der Schlossstraße. Dort war die "Braunschweiger Presse", die Druckerei der Zeitung und die SPD untergebracht. Da es sehr zentral lag, war Rosemarie Ausmeier hier häufiger, auch wenn sie mal kurz in der Stadt war. Aber Bauer hatte sie auch hier nicht gesehen.

Gern ging Bauer dagegen in ein Delikatessengeschäft (Ecke Helmstedter Straße/ Adolfstraße) einkaufen. Davon habe Bauer öfters erzählt. Und Vorträge habe er auch öfters gehalten, allerdings meist im kleinen Kreise
 
Nach dem ersten Besuch bei Fritz Bauer in der Jasperallee waren Ausmeiers noch mehrere Male dort eingeladen. Als Bauer dann 1956 nach Frankfurt zog, blieb der Kontakt bestehen. Es wurde häufig telefoniert, da Ausmeiers schon früh ein Telefon hatten. Manchmal war ein Knacken in der Leitung zu hören, und sie vermuteten, dass sie mal wieder abgehört wurden, vom Geheimdienst oder vom CIA. Frau Ausmeier wusste, dass Bauer auch mit dem Mossad, dem israelischen Geheimdienst, Kontakt hatte. Zum Ende des Gespräches wandte sich Bauer oft an den unbekannten Zuhörer mit einer kurzen Bemerkung.

Wenn Ausmeiers nach Süden in den Urlaub fuhren, besuchten sie des öfteren Fritz Bauer in Frankfurt besucht. Meist trafen sie sich dann im Palmengarten, der ganz in der Nähe von Bauers Wohnung in der Feldbergstraße lag. Ihr kleiner Sohn Tyll war auch dabei; dieser kann sich aber nicht mehr an Fritz Bauer erinnern, dazu war er noch zu klein. Bauer hatte sie auch mehrere Male eingeladen, in Frankfurt zu übernachten, aber dazu war es nicht gekommen.

Von seinen eigenen Reisen hat Bauer einige Karten und Briefe an Familie Ausmeier geschrieben - aus Capri, aus New Orleans, aus Viareggio - die Rosemarie Ausmeier sorgfältig aufbewahrt hat Und dann auch eine Karte aus München (mit dem Stempel des Deutschen Museums) direkt an ihren Sohn Tyll - eine Postkarte mit dem bekannten Mecki-Motiv aus der HÖR ZU. An der Entwicklung ihres Sohnes nahm Bauer in den ersten Jahren regen Anteil.

                    
Die Mecki-Postkarte von Fritz Bauer                         Abgeschickt aus München am
an Tyll, den Sohn von Ausmeiers                               19.08.1957

Außer zur Familie Ausmeier gab es wohl in Braunschweig nur noch einen näheren Kontakt, an den sich Frau Ausmeier erinnern kann, und zwar zur Familie Meyer-Velde. Bauer hatte Heinz Meyer-Velde, der aus Schapen bei Braunschweig kam, kennengelernt, als dieser als junger und engagierter Referendar in Braunschweig tätig war. Meyer-Velde war später von Braunschweig nach Ziegenhain in Hessen gezogen, wo er in einem Spezial-Gefängnis für Nazi-Verbrecher tätig war. Später zog er nach Oldenburg. Der Kontakt zu Fritz Bauer war aber immer bestehen geblieben, und nach dem Tode von Bauer hatte er dessen Wohnung und auch Büro aufgelöst.

Ansonsten hatte Bauer nicht viel von seiner Familie erzählt, weder von seiner Schwester, noch von seiner Frau, die noch in Dänemark lebte.

Ein Brief an Ausmeiers vom 26.Februar 1955

Liebe Ausmeiers!
Vielen Dank für das großartige Buch. Ich weiß gar nicht, wie ich es verdient habe. Ich werde an Sie denken, wenn mir das Buch als Wegweiser dient, und - wenn ich fluche, weil ich es vom Atlantischen Ozean bis zum Stillen Ozean schleppen muß
                  Herzlichen Dank und herzliche Grüße
                                                     Ihr Fritz Bauer!

- Karte aus New Orleans an Familie Ausmeier (1955)

 

Ein undatierter Brief von Bauer an Familie Ausmeier (vielleicht aus dem Jahr 1956 oder 1957), in dem er sich für die Glückwünsche zu seinem Geburtstag bedankt.

... So denke ich an Braunschweig, womit sogleich die Familie Ausmeier herzlichst umfasst  ist. Manchmal denke ich, es wäre an der Zeit, Braunschweig zu besuchen, ob alles noch dort steht, aber über Kassel reicht es erstmal nicht hinaus. Und südlich davon gibt es noch genug zu tun. Was sonst noch übrig bleibt, ist leichter per Flug zu erreichen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelänge, wenigstens die Familie Meyer-Velde hierher zu bringen. Alles schien gut zu gehen. Leider hat Heinz bei unsrem liralaunischen Minister einen viel zu guten Eindruck hinterlassen, so dass er ihn jetzt auf den Kriegsposten in Ziegenhain stellen will. Ich hoffe (und tu auch einiges), den idiotischen "Erlass" zu Fall zu bringen.
       Alles Gute an alle
                  Herzlich        
                                          Fritz Bauer

 

Ein Brief aus dem Hotel Regina Christina aus Capri an Ausmeiers vom 22/4, das Jahr ist nicht angegeben.

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Liebe Ausmeiers,
herzlichen Dank für den grossen Brief Tylls, der mich hierher und erneut sehr erfreut hat. Er ersetzt einen ganzen Erholungsurlaub. Die vielen Sorgen um mein Schicksal waren gewiss nicht nötig. Einmal habe ich eine dicke Haut und so viel, viel Arbeit, dass ich nicht dazu (komme), an mich selber zu denken. Dann kamen grossartige Briefe von Grossen und Kleinen in der ganzen Welt, dass es an Ermutigung nicht gefehlt hat. Im übrigen bin ich politisch genug, um das Affentheater zu durchschauen. Die CDU und besonders Adenauer brauchen Spektakel, um von ihren eigenen Schwierigkeiten abzulenken. Im Bundestag sagte mir ein CDU-Mann, ...
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... wir greifen jetzt nach jedem Strohhalm. Es könnte sein, dass die weitere innenpolitische Entwicklung noch ähnliches serviert, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Labilität unserer Lage die eine oder andere Überraschung im Schosse birgt. Vor der CDU ist mir nicht bange, unangenehm ist mir die SPD in Bonn, deren Haltung ich zwar faktisch weitgehend verstehe, die mir aber (jetzt) unerfreulich wäre, wenn sie nicht nur Taktik, sondern Strategie wäre u. bliebe. Auch meinem Ministerium wünschte ich mehr Kampflust; es besteht aus Bürokraten, die jede Arbeit scheuen, zumal die, die aus Kampf und Diskussion erwächst. Die Herren wären glücklich, wenn ich Frühjahr, Sommer, Herbst u. Winter in Capri verbrächte. ---- Sind die Spessarttage schon vorüber? Ich komme am 6.5. wieder nach Fft, fahre dann allerdings gleich nach Konstanz, wo Herr Martin sich seinen Kollegen demonstriert. - Der Brief ist aus und die Sonne brennt auf meinen Schädel.
               Herzliche Grüße
                                    stets     
                                             Fritz Bauer

Karte an Ausmeiers aus Viareggio (Seebad im Nordwesten der Toskana) aus dem Jahr 1959
mit Hinweisen auf den damals bekannten Künstler Marino Marini

 Foto mit Fritz Bauer (rechts)/  (R.Ausmeier)

Fritz Bauer 1950 (im Landgericht  Braunschweig) / (R.Ausmeier)

Noch heute verfolgt Rosemarie Ausmeier aufmerksam, wenn es neue Informationen zu Fritz Bauer gibt. So teilte sie mir schon am Telefon mit, dass gerade  eine neue Ausgabe des "Vorwärts" erschienen sei, in der auch ein Bericht zu Fritz Bauer enthalten sei. Es war die Februar-Ausgabe von 2013, eine Jubiläumsausgabe zum 150jährigen Bestehen der Sozialdemokratie. Und es ist schön, dass nun auch dort wieder stärker an Fritz Bauer gedacht wird.

U.D. (Februar 2013)

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