Fritz Bauer und die NSU-Morde 2013 - 50 Jahre nach dem Auschwitz-Prozess könnte der Prozess um die NSU-Morde einer der größten Prozesse der Bundesrepublik werden 1963 begann der Auschwitz-Prozess, nun 50 Jahre später wird (mit einer Verzögerung) der Prozess um die NSU-Morde beginnen. Zwischen beiden Prozessen gibt es Gemeinsamkeiten - und große Unterschiede. Gemeinsam ist zunächst, dass es in beiden Prozessen nicht nur um reine Straftaten, sondern um eine Verflechtung von Mordtaten in ein System von Unrecht, Menschenverachtung und Vernichtung von Menschen geht. Der Unterschied: damals gab es Fritz Bauer, dessen Ziel es war, am Beispiel eines Prozesses ein Unrechts- und Vernichtungssystem aufzudecken. Er führte zwar nicht selber die Ermittlungen zum Auschwitz-Prozess durch, aber er war der Motor für die Entstehung des Prozesses und begleitete ihn durch Kommentare, Interviews usw. Und das Ziel wurde erreicht: Der Komplex Auschwitz wurde durchleuchtet und geriet in das öffentliche Bewusstsein. Im Grunde wäre es ein solches Vorgehen auch bei den NSU-Morden wichtig. Nicht nur, um den Opfern gerecht zu werden. Hinter den NSU-Morden steckt ein ganzes Geflecht von Verachtung, Rassismus und der Bereitschaft zu töten, das letztlich für alle Minderheiten, Migranten und Außenseiter bedrohlich ist. Es geht eben in dem Prozess nicht nur darum zu klären, ob Beate Zschäpe schuldig ist, d.h. ob sie an den Morden direkt beteiligt war. Darum geht es auch, und dass es ein fairer Prozess wird. Aber es geht um mehr. Im Auschwitz-Prozess und Remer-Prozess waren die Angeklagten für Fritz Bauer nur ein Anlass, ein Unrechtssystem zu erforschen und anzuklagen Und heute? Aber die Aufgabe des Prozesses könnte noch eine ganz andere sein - nämlich die Hintergründe der Mordtaten zu erforschen und den Sumpf des NSU-Netzwerkes zu erkunden. Und darüberhinaus die Verstrickungen von Verfassungsschutz und Ermittlungsbehörden zu klären.
Fehlt ein moderner Fritz Bauer? Der bisherige Verlauf lässt nichts Gutes ahnen. Formales Vorgehen bei der Platzvergabe, kein Gespür für die Opfer und deren Angehörigen. Rechtsprechung als formaler, bürokratischer Akt? Aus Angst, dass Anwälte irgendwelche Schlupflöcher finden? So ein Prozess wäre fatal und gäbe ein falsches Signal. Dann könnte man letztlich froh sein, wenn Beate Zschäpe überhaupt noch verurteilt werden würde. Oder gar bei einer Verurteilung eine luxuriöse Zelle erhielte, um ihre Memoiren oder Rechtfertigungen zu schreiben. Wichtiger als Paragraphenreiterei wäre die Darstellung menschenverachtender Werte und Praktiken des Netzwerkes und ihrer Folgen. Es gab Prozesse in der Bundesrepublik, die haben Geschichte geschrieben - weil sie Sachverhalte aufdeckten. Mit diesen Prozessen ist der Name Fritz Bauer verbunden. Wir können gespannt auf den NSU- Mordprozess sein. Wird er Geschichte schreiben, weil hier wirklich ein ganzes System von Unrecht aufgedeckt wird, inklusive einer Gesinnung, die zur Tötung von Menschen führt, einfach weil sie anders sind? Oder wird es ein "normaler" Prozess werden, in dem Formalismus die Hauptrolle spielt. So ein Prozess wäre nichtssagend - es wäre ein Prozess, der die Menschen nicht erreicht und kein Vertrauen wieder herstellt. Es ist einfach zu viel passiert, zu viele Fehler, Pannen, Verstrickungen, Undurchsichtigkeiten. Wir können nur wünschen, dass die beteiligten Staatsanwälte und Richter sich wenigstens ein bisschen an Fritz Bauer orientieren, damit es zu wirklicher und angemessener Aufklärung kommt. U.D. (April 2013) |