Bei Genforschung sollen ethische Bedenken fallen
(Welt am Sonntag, 14.04.2002)
Das Bundesforschungsministerium will sich EU-Fördergelder nicht
entgehen lassen. Führung der Unionsfraktion kritisiert Haltung der
Bundesregierung scharf
Berlin Fz. - Die Bundesregierung will die Bewilligung europäischer
Fördermittel zur Forschung in Medizin und Biotechnologie in Höhe
von 2,5
Milliarden Euro nicht an den vom Bundestag beschlossenen ethischen
Grundsätzen scheitern lassen. Das geht aus einem Papier aus dem
Bundesforschungsministerium hervor, das WELT am SONNTAG vorliegt.
Darin heißt es, letztlich dürfe die Verabschiedung des insgesamt
17,5
Milliarden Euro umfassenden Forschungs-Rahmenprogramms "nicht aus
Gründen der Durchsetzbarkeit ethischer Vorbehalte an einem
entgegenstehenden Votum der deutschen Delegation scheitern".
In einem ersten Schritt werde die Bundesregierung versuchen, die in
Deutschland geltenden strengen Kriterien für die Forschung im
Bereich
der Biotechnologie auf europäischer Ebene durchzusetzen, heißt
es in dem
Papier weiter. Danach sollen Keimbahnmanipulationen, reproduktives
Klonen und die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken verboten
bleiben. Zum anderen werde entsprechend des Bundestagsbeschlusses vom
30. Januar darauf hingearbeitet, dass keine Forschung an überzähligen
Embryonen mit den EU-Fördermitteln finanziert werde. Stammzellforschung
solle nur in engen Grenzen möglich sein.
Dann allerdings schränkt das Papier ein: "Sollte diese Haltung
bei den
anderen Mitgliedstaaten sich als nicht durchsetzbar erweisen, ist eine
geeignete Rückfallposition zu entwickeln."
Mit dieser Haltung würde sich die Bundesregierung über den
Beschluss des
Bundestages zum Import embryonaler Stammzellen hinwegsetzen. Denn danach
soll sie darauf hinwirken, "dass auch auf europäischer Ebene bei
den
Forschungsprojekten eine Beschränkung auf bestehende Stammzelllinien
vorgenommen wird".
Aus dem Papier aus dem Hause von Bundesforschungsministerin Edelgard
Bulmahn geht hervor, dass das von Joschka Fischer geführte Auswärtige
Amt Vorbehalte gegen die schon jetzt in Betracht genommenen
Rückzugsgefechte angemeldet hatte. In einer Runde der Staatssekretäre
vom Freitag wurde dann aber offenbar doch Einvernehmen erzielt.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Forschungsministerium,
Wolf-Michael Catenhusen, sagte WELT am SONNTAG, gegenwärtig sei
es
"völlig unübersichtlich", wie die anderen europäischen
Mitgliedstaaten
sich in dieser Frage positionierten. Hilfreich für die deutsche
Haltung
wäre es, wenn das Europäische Parlament eine restriktive
Verteilung der
Fördermittel befürworte. Dann werde sich möglicherweise
auch die
Europäische Kommission dazu durchringen.
In der Führung der Unionsfraktion wird die jetzt deutlich gewordene
Haltung der Bundesregierung scharf kritisiert. Es seien harte
Verhandlungen nötig, um hohe ethische Maßstäbe zur
Grundlage für die
Vergabe von Forschungsmitteln zu machen. Das funktioniere aber nicht,
wenn bereits Rückzugsgefechte erwogen würden. Im Übrigen
müsse das Votum
nicht einstimmig fallen. Deutschland könne durchaus Flagge zeigen.
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