Forum Bioethik Wird Blair zum „amerikanischen Pudel“?
In Großbritannien wächst die Kritik an einem möglichen US-Militärschlag gegen Saddam Hussein
   Vorsorglich meldeten schon 117 Labour-Abgeordnete im Unterhaus ihren Protest gegen einen neuen Golfkrieg an. Und Tony Blairs Ministerin für Entwicklungshilfe, Clare Short, deutete an, dass sie bei einer „blinden militärischen Aktion gegen den Irak“ ihr Amt niederlegen wird. Nur 35 Prozent der Wähler würden einen solchen Angriff - mit oder ohne britischer Unterstützung - billigen.
Im Feldzug gegen die Taliban hatten Tony Blair immerhin fast drei Viertel der Briten hinter sich. Deshalb konnte der „engste Verbündete der USA“ so Dick Cheneys Pressesprecherin - dem amerikanischen Vize- Präsidenten in London vor seiner Blitz-Tour durch zwölf Länder des Nahen Ostens vorläufig nur moralische Rückendeckung für den nächsten Schlag im Krieg gegen den Terror geben. Blair stimmte mit Cheney überein, dass etwas gegen die Bedrohung durch Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen getan werden muss. Konkreter konnte der Premierminister nicht werden.

Andere Sorgen
Die Briten sind im Augenblick weitaus mehr daran interessiert, dass er Transportmisere, Kriminalität und die Probleme des Gesundheitswesens in Angriff nimmt, als im Schulterschluss mit den USA sich in ein neues Kriegsabenteuer zu stürzen. Die anfängliche Unterstützung der USA in der britischen Öffentlichkeit hat sich vor allem durch die Entwicklung im Nahen Osten mittlerweile merklich abgekühlt. „Was ist die Berechtigung der USA als Supermacht, wenn sie nicht in der Lage ist, die israelische Regierung zu disziplinieren, deren Zahl- und Waffenmeister sie ist?“ fragt der „Guardian“ in einem Kommentar zu Blairs Rolle in der amerikanischen Angriffsstrategie.
Darüber wäre auch sein Innenminister David Blunkett nicht begeistert. Er fürchtet, dass eine Beteiligung beim Angriff auf den Irak schwere Unruhen unter der islamischen Bevölkerung Großbritanniens auslösen würde. Außenminister Jack Straw ist in der Zwickmühle. Er soll mit einem Dossier über Saddams Vernichtungs- und Aggressionspotential die Kriegsstimmung schüren. Aber der Außenminister weiß wohl, dass Großbritannien damit seinen Status in der arabischen Welt verlieren würde, in der Cheney bei seiner jüngsten Sondierung für einen Schlag gegen Saddam Hussein auf eisige Ablehnung stieß.
Auch bei den EU-Partnern steht Blair mit seinem Verständnis für einen US-Angriff ziemlich allein. Auf eine irakische Version der „Nordallianz“ wie in Afghanistan könnte Großbritannien und die USA nicht bauen. „Wir wollen keinen amerikanischen Angriff gegen debn Irak“, erklärte Ayatollah Mohammed Baqir al-Hakim in seinem Exil in Teheran gegenüber den britischen Medien. Der Führer der größten Widerstandsorganisation gegen Saddam Hussein fürchtet dadurch „großen Schaden und Leid für die Zivilbevölkerung“. Er hat den Amerikanern nicht vergeben, dass sie 1991 die aufständischen Schiiten mit ihrem Rückzug aus dem Irak in Stich ließen und praktisch Saddams Husseins Vergeltungsschlägen auslieferten. Gegen die Verhöhnung Blairs als „amerikanischen Pudel“ setzen seine Verteidiger die These, dass hinter der Loyalität zu Bush das Kalkül steht, den amerikanischen Präsidenten vor unüberlegten Schritten zu bewahren. Blairs Hauptsorge ist, dass die von ihm mühsam gezimmerte internationale Koalition im Krieg gegen den Terror durch einen amerikanischen Alleingang gegen den Irak auseinanderbricht.

Sandkastenspiele
So arbeitet London daran, eine einwandfreie Legitimation für einen eventuellen Angriff zu bekommen, auch wenn dieser nicht durch eine spezielle UN-Resolution sanktioniert wird. Eine Möglichkeit dazu deutete Ben Bradshaw, der Staatssekretär im Außenministerium an: „Ich habe einige Sympathie für die Rechtsauffassung, dass der Irak nicht nur gröblich die UN-Resolutionen gebrochen hat, sondern auch das Waffenstillstandsabkommen, das den Golfkrieg beendete.“
Im Verteidigungsministerium laufen schon die Sandkastenspiele für die irakische Wüste. Sie reichen bis zum Einsatz von 25 000 Soldaten. Die militärischen Planer müssen sich auch überlegen, wie verhindert werden kann, dass nicht mehr britische Soldaten durch das „freundliche Feuer“ ihrer amerikanischen Verbündeten verletzt und getötet werden als durch irakische Truppen.
(aus: Braunschweiger Zeitung, 23.3.02 von Hendrik Bebber, London)

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