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IMEW konkret 4/
Klonen
(August 2003)
Zwei Ziele, eine Methode – die Auseinandersetzung um das
Klonen
Jeder Mensch ist ein Original. Bisher jedenfalls. Seit der Geburt des
Klon-Schafes Dolly im Jahr 1996 steht fest, dass es prinzipiell möglich
ist, genetische Kopien zu schaffen. Dolly steht mittlerweile ausgestopft
in einem schottischen Museum, doch die Debatte um das Klonen nimmt kein
Ende. Können, dürfen, wollen wir Menschen klonen? Ist das eine
„künstliche Form der Unsterblichkeit“, wie der US-Wissenschaftler
Richard Seed meint? Führt es zur Perfektionierung des Menschen? Oder
zur Zerstörung der Individualität? Ist das Klonen gar ein Schlüssel
zur Heilung schwerer Krankheiten? Oder verletzt es die menschliche Würde?
Was sich manchen als große Hoffnung darstellt, ist für andere
ein Trugbild und eine Horrorvision.
Das Verfahren
Wie funktioniert Klonen? Im Kern jeder Körperzelle steckt derselbe
vollständige Satz an Chromosomen, den Trägern des Erbgutes. Beim
Klonen wird einer beliebigen Körperzelle der Zellkern entnommen und
in eine befruchtete Eizelle eingeschleust, deren Kern zuvor entfernt wird.
Die Eizelle mit dem neuen Erbgut entwickelt sich zu einem Embryo, der in
eine Gebärmutter eingepflanzt werden kann. Das geklonte Lebewesen
entspricht genetisch dem Spender des ursprünglichen Zellkerns. Bei
der geschlechtlichen Fortpflanzung verschmelzen Ei- und Samenzelle miteinander,
und aus der Vermischung mütterlicher und väterlicher Erbanlagen
entsteht ein genetisch einzigartiges Individuum. Der Klon hingegen hat
nur einen Elternteil. Er ist eine genetische Kopie. Nicht ganz allerdings,
denn auch außerhalb des Zellkerns sind kleine Mengen an Erbgut vorhanden.
Sie werden durch die Eizelle an den Klon weitergegeben.
Das Klonen gelingt bislang nur im Tierversuch. Genauer
gesagt: Es gelingt in den meisten Fällen nicht. Denn nur bei einem
kleinen Prozentsatz der Klonversuche entwickelt sich ein lebensfähiges
Tier. Die meisten Embryonen gehen auf einer frühen Entwicklungsstufe
zugrunde. Die wenigen geborenen Tiere sind zumeist schwer krank, sie leiden
unter anderem an Herz- und Lungenschäden, Übergröße,
Arthritis, Fettsucht und Krebs. Dolly wurde erst nach 276 gescheiterten
Versuchen geboren. Und das berühmte Schaf starb nicht ohne Grund so
früh: Die Chromosomen tragen eine Art Lebensuhr. Den Klonen wird gewissermaßen
die fortgeschrittene Lebensuhr des Zell-Spenders mitgegeben. Sie sind schon
alt, wenn sie geboren werden. Klonen ist eher ein Weg zu früh auftretenden
Altersgebrechen als zur Unsterblichkeit.
Beim Klonen ist also der Erfolg die Ausnahme, der
Misserfolg die Regel. Das gilt vor allem für das so genannte reproduktive
Klonen. Den meisten Wissenschaftlern geht es jedoch bei der Anwendung auf
den Menschen um etwas anderes: Die Verheißung heißt „therapeutisches
Klonen“. Dabei wird der Embryo im Gegensatz zum „reproduktiven Klonen“
nicht in eine Gebärmutter eingesetzt, sondern ihm werden nach wenigen
Tagen Stammzellen entnommen. Aus diesen „Alleskönnern“ lassen sich
verschiedene Arten von Gewebe züchten, z.B. Nerven- oder Lebergewebe.
Patienten mit Krankheiten wie Alzheimer oder Diabetes sollen durch „maßgeschneidertes“
Gewebe geheilt werden. Wenn die Ausgangszelle vom Patienten stammt, kommt
es nicht zu Abstoßungsreaktionen.
Ob zur Erzeugung geklonter Kinder oder zur Gewebezucht
– geklont wird in beiden Fällen. Doch die zwei Arten des Klonens erfahren
sehr unterschiedliche Bewertungen. Das reproduktive Klonen von Menschen
stößt auf fast einhellige Ablehnung. Reproduktionsmediziner,
die Menschen klonen wollen, gelten den meisten Wissenschaftlern als Schaumschläger,
Scharlatane oder Verbrecher.
Moderne Sklaverei?
In der Tat spricht kaum etwas für das reproduktive Klonen, aber
viel dagegen. Der italienische Mediziner Severino Antinori beispielsweise
will mit Hilfe des Klonens unfruchtbaren Paaren zum Nachwuchs verhelfen.
Doch dafür gibt es auch weniger fragwürdige
Wege, zum Beispiel eine Adoption. Vor allem Naturwissenschaftler betonen
die praktischen Schwierigkeiten beim Klonen von Menschen. Es sei demnach
unverantwortlich, weil die Klone mit schweren gesundheitlichen Schäden
auf die Welt kämen, wie bei den geklonten Schafen, Ziegen, Kühen
und anderen Tieren. Ian Wilmut, der „Schöpfer“ von Dolly, wird nicht
müde, das reproduktive Klonen von Menschen deshalb als „inhuman“ und
„kriminell“ zu geißeln. Vielen naturwissenschaftlichen Kritikern
unterläuft dabei jedoch der Fehler, geklonten Embryonen das Lebensrecht
abzusprechen, weil sie sich ohnehin nicht zu „normalen“ Menschen entwickeln
könnten. Damit argumentierte z.B. der Biologe Rudolf Jaenisch auf
der Klonkonferenz des Bundesforsch!
ungsministeriums im Mai 2003 gegen das reproduktive und für das
therapeutische Klonen. Richtig ist zwar, das Klonen unter Bezug auf das
Nichtschädigungsprinzip abzulehnen. Falsch dagegen wäre, geklonten
Embryonen – existieren sie erst einmal – weniger Schutzansprüche zuzugestehen
als nicht geklonten. Eine solche Unterscheidung zwischen „normalen“ und
„geschädigten“ Embryonen würde das Gleichheitsgebot verletzten.
Vor allem aber: Gilt der Einwand der
technischen Grenzen auch noch, wenn die Erfolgsquote sich entscheidend
verbessert? Ist das Klonen dann wünschenswert? Die meisten Ethiker
argumentieren grundsätzlich dagegen: Der Philosoph Jürgen Habermas
betont, dass einem Klon die Offenheit seiner Zukunft und ein Teil seiner
Freiheit geraubt würde. Denn er hätte stets ein Vorbild vor sich,
an dem er gemessen würde. Was sonst der natürliche Zufall schafft,
wäre beim Klonen das Ergebnis zielgerichteter Handlungen. Für
Habermas wäre der Klon damit eine Art Sklave.
Bei der Ablehnung des reproduktiven Klonens sind
sich trotz unterschiedlicher Argumente zurzeit fast alle einig. Die Geister
scheiden sich am therapeutischen Klonen. Während manche davon die
Heilung schwerkranker Menschen erhoffen, kritisieren andere es als Verletzung
der Menschenwürde. Schon der Begriff ist umstritten: Von therapeutischem
Nutzen kann für den geklonten Embryo keine Rede sein – er überlebt
die Entnahme seiner Stammzellen nicht. Der Tübinger Ethiker Dietmar
Mieth hält den Begriff für eine geschickte Wortschöpfung,
die einen medizinischen Nutzen vorgaukelt, wo bisher keiner ist. Er spricht
deshalb lieber von „Forschungsklonen“.
Töten um des Lebens Willen?
Was wiegt schwerer: die mögliche Heilung kranker Menschen oder
die gezielte Vernichtung menschlichen Lebens? Dürfen wir absichtlich
menschliche Embryonen herstellen, um sie zu zerstören? Bei diesen
Fragen scheint nur ein Ja oder Nein möglich zu sein, aber kein Kompromiss.
So vehement der Klonforscher Ian Wilmut vor dem reproduktiven Klonen warnt,
so entschieden spricht er sich für das therapeutische Klonen aus.
Moralische Probleme sieht er dabei nicht: „Embryonen sind keine Kinder.
Und daher ist es richtig, Forschung an ihnen zu erlauben.“ Dagegen wendet
Mieth ein, dass das eine menschliche Leben nicht einem anderen geopfert
werden dürfe: „Der gute Zweck heiligt kein schlechtes Mittel.“
Einer weiteren Frage müssen sich die Befürworter
therapeutischen Klonens stellen: Bei der geringen Erfolgsrate bedarf es
einer großen Zahl an Eizellen - woher sollen die kommen? Kritiker
befürchten, dass ein reger Eizell-Handel entsteht. Gerade ärmere
Frauen könnten sich dazu gezwungen sehen, Eizellen zu verkaufen und
dafür eine gesundheitlich riskante Behandlung über sich ergehen
zu lassen. Die Politologin Ingrid Schneider sieht die Gefahren, dass Frauen
zu „Auftragslieferantinnen“ von Eizellen für kranke Familienangehörige
werden könnten und dass es zu einer „Kommerzialisierung des weiblichen
Körpers“ kommen könnte. Diese Befürchtung wäre allerdings
überholt, wenn sich brauchbare Eizellen ohne Eizellspende herstellen
ließen, zum Beispiel aus Stammzellen.
Auch wenn man das therapeutische Klonen an sich
für unproblematisch hält, bleibt die Gefahr, dass es den Weg
zum reproduktiven Klonen ebnet. Denn das Verfahren ist dasselbe, nur die
Ziele unterscheiden sich. Regine Kollek, stellvertretende Vorsitzende des
„Nationalen Ethikrates“, spricht von einer „Türöffnerfunktion“
für das reproduktive Klonen und plädiert deshalb für ein
umfassendes Klonverbot. Ein solches existiert bereits in Deutschland. In
manchen Ländern ist das therapeutische Klonen ausdrücklich erlaubt.
Es ist deshalb die Frage, ob und wie auf internationaler Ebene ein Konsens
zu erreichen ist.
Roland Kipke
Juli 2003
Dies ist die veränderte Version des Artikels „Keine Kompromisse“,
erschienen in MENSCHEN. das magazin, Ausgabe 2/2003. Mit freundlicher Genehmigung
von Aktion Mensch e.V.
Literatur
Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften: Klonen
beim Menschen, Dossier, Bonn 2003.
Jürgen Habermas: Genetische Sklavenherrschaft? Moralische Grenzen
reproduktionsmedizinischer Fortschritte, in: Die postnationale Konstellation.
Politische Essays, Frankfurt am Main 1998, 243-247.
Regine Kollek: Manche Wünsche sollten besser auch in Zukunft unerfüllt
bleiben, Interview mit Regine Kollek in: Das Parlament 2003, Nr. 6-7, S.
3.
Dietmar Mieth: Moral muss geduldig sein, in: taz Nr. 6369 vom 10.2.2001,
S. 11.
Ingrid Schneider: Embryonale Stammzellforschung - eine ethische und
gesellschaftspolitische Kritik, in: Sigrid Graumann (Hg.): Die Genkontroverse,
Freiburg i. Brsg. 2001, S. 128-147.
Ian Wilmut, zit. nach: Klonen von Menschen wäre 'kriminell', Bericht
in: http://science.orf.at/science/news/7745, 30. Juli 2003.
Ian Wilmut: Der Vater von Dolly will nun therapeutisch klonen, Interview
mit Ian Wilmut, in: http://www.welt.de/daten/2001/03/07/0307ws227739.htx,
30. Juli 2003.
Information: info@imew.de
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